Ernest Déry

1894-1964

 

Ernest Déry wurde am 1. Juli 1894, als Sohn des Marineoberstabsarztes 1.Klasse Dr. med. Emil Déry und Antonia (geborene Klenka) in Pola geboren. Er besuchte die Marineakademie in Fiume und wurde am 15. Juni 1912 in die k.u.k. Kriegsmarine aufgenommen. Als Seefähnrich mit Rang vom 1. Juni 1914 erfolgte seine erste Diensteinteilung auf S.M.S. „Prinz Eugen“. Mit 2. August 1914 wurde er in den Stand des kleinen Kreuzers S.M.S. „Zenta“ transferiert, wo er der Artillerie zugeteilt wurde.

Der Kreuzer wurde am 28. Juli 1914 mit 6 Zerstörern in die Bocche di Cattaro (Bucht von Kotor) verlegt. Bei Kriegsausbruch wurde er bei der 1. Kreuzerdivision der Kreuzerflottille eingeteilt und in Gjenovic unweit des heutigen Herceg Novi stationiert. Am 8. August 1914 erfolgte gemeinsam mit dem Schwesterschiff S.M.S. „Szigetvar“ der erste Kriegseinsatz. Die Radio-(Funk-) Station von Antivari (heute Bar in Montenegro) wurde angegriffen und beschossen. Am 13. August 1914 übernahm Fregattenkapitän Paul Pachner das Kommando von S.M.S. „Zenta“.

Nachdem am 5. August 1914 Montenegro Österreich-Ungarn den Krieg erklärt hatte, war es notwendig dessen Küsten zu blockieren, um die Verbindung mit seinen Verbündeten zu unterbinden. Die Blockade begann am 10. August 1914 und zu ihrer Durchführung wurden die kleinen Kreuzer S.M.S. „Szigetvar“ und S.M.S. „Zenta“, die Torpedobootzerstörer der Huszar-Klasse „Uskoke“, „Streiter“ und „Ulan“ sowie die Torpedoboote 64, 68, 70 und 72 herangezogen.

Am 16. August 1914 lief S.M.S. „Zenta“ mit dem Torpedobootszerstörer „Ulan“ aus um auf Blockadestation zu gehen. Es herrschte ruhiges Wetter und klare Sicht. Um 7 Uhr 45 wurden fünf Rauchsäulen in SSW gesichtet. Da es sich dabei nur um feindliche Seestreitkräfte handeln konnte die weit überlegen waren, gab Fregattenkapitän Pachner Befehl, mit höchster Fahrtstufe zurück in die Bucht von Cattaro zu fahren. Kurz darauf tauchten weitere Rauchsäulen in WNW auf. Die beiden kleinen Schiffe waren von einer feindlichen (französischen) Flotte in der Stärke von etwa 18 Großkampfschiffen (Schlachtschiffe und Panzerkreuzer), sowie zahlreicher kleinerer Kriegsschiffe umklammert, deren Kommandant Vizeadmiral Augustin Boué de Lapeyrére war. Vizeadmiral Lapeyrére griff die beiden österreichischen Schiffe gegen 9 Uhr an. Während der Torpedobootzerstörer „Ulan“ wegen seiner hohen Geschwindigkeit von 28 kn (Knoten), ohne getroffen zu werden, in die Bucht von Cattaro entkommen konnte, wurde dem Kreuzer „Zenta“ der Weg in den sicheren Hafen abgeschnitten. Bereits aus ungefähr 10 bis 12 km Entfernung eröffneten die französischen Schlachtschiffe COURBET und JEAN BART mit ihren Geschützen vom Kaliber 30,5 cm das Feuer. Erst als die Distanz sich auf knapp unter 10 Kilometer verringert hatte, konnte die S.M.S. „Zenta“ mit ihrer 12 cm Artillerie beginnen den Beschuss zu erwidern. Neben diesen 8 Geschützen hatte der kleine Kreuzer nur noch zehn 47mm Schnellfeuerkanonen, sowie zwei 8mm Mitraileusen M93 und zwei Torpedorohre um sich zu verteidigen.

Bereits nach kurzer Zeit wurde durch einen Treffer im Maschinenraum der S.M.S. „Zenta“ die rechte Hauptdampfleitung getroffen. Die gesamte Maschinenmannschaft wurde getötet und beide Maschinen außer Betrieb gesetzt. Der kleine Kreuzer verlor an Fahrt, war dadurch ein noch leichteres Ziel, feuerte aber noch mit allen Geschützen der Backbordseite. Während die Geschützbesatzungen, präzise wie ein Uhrwerk, Schuss um Schuss im Todesmut der Verzweiflung dem weit übermächtigen Angreifern entgegen feuerten, wurde ihr Schiff buchstäblich in Trümmer geschossen.

Durch weitere Treffer entstanden Brände an Deck und in den Batterien. Es wurde das Vorschiff zerschossen, die Brücke teilweise zertrümmert und es brach Wasser in den ersten Kesselraum ein. Die Brände konnten nicht gelöscht werden, da die Steigleitungen für das Löschwasser zerstört waren. Kapitän Pachner musste den Befehl zum Verlassen des Schiffes geben. Er selbst sprang erst ins Wasser als er dachte, dass alle Mann bereits das Schiff verlassen hätten. Als er jedoch sah, dass am Achterdeck noch ein paar Leute an Bord waren, dreht er um, kletterte wieder auf das Schiff und erst als diese gesprungen waren, verließ er als Letzter das sinkende Schiff. Die S.M.S. „Zenta“, welche im Gefecht die, nach den Kämpfen in China erhaltene, seidene Ehrenflagge gesetzt hatte, sank kurz darauf, gegen 9 Uhr 40 über Heck, etwa auf Höhe von Castellastua dem heutigen Petrovac.

Die Franzosen machten keinerlei Anstalten die im Wasser schwimmenden Matrosen zu retten. Von der Besatzung der S.M.S. „Zenta“, insgesamt 17 Offiziere und 275 Mann, waren 1 Offizier und 173 Mann gefallen. 118 Mann konnten sich schwimmend zur Küste bzw. der vor Castellastua liegenden Insel retten. Sie wurden von den Montenegrinern sofort in Gefangenschaft verschleppt. Nur einige wenige konnten sich der Gefangennahme entziehen und in die Heimat durchschlagen. Der französische Vizeadmiral Bienaimè schreibt in seinem Werk „La Guerre Navale, 1914–1915, Fautes et Responsabilites“ über die, auch zeitgenössisch von allen Seiten propagandistisch behandelten, Versenkung der S.M.S. „Zenta“:

Die Vernichtung dieses kleinen Kreuzers von 2.500 Tonnen, der ohne Schutz 20 Minuten lang dem ungeregelten Feuer der gesamten Artillerie der Flotte preisgegeben war, wobei diese 500 großkalibrige Geschosse verbrauchten, zwei 24 cm Geschütze und ein 19 cm Geschütz funktionsuntüchtig wurden, während doch ein einziger unserer Panzerkreuzer in 5 Minuten mit einigen wohlgezielten Schüssen dasselbe Ergebnis erreicht hätte, diese Vernichtung sage ich, war im Verhältnis zum getätigten Aufwand nur eine lächerliche Genugtuung“.

Nach Prüfung aller Berichte und Zeugenaussagen wurde Ernest Déry, der mittlerweile mit Rang vom 1. August 1914 zum Fregattenleutnant befördert worden war, am 23. März 1915, zu einem Zeitpunkt also wo er sich immer noch in montenegrinischer Kriegsgefangenschaft befand, mit der Goldenen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet. Durch die vorrückenden österreichisch-ungarischen Truppen wurde er Anfang 1916 aus der Kriegsgefangenschaft befreit und stellte unverzüglich beim Flottenkommando das Ansuchen, die Umstände, die zu seiner Gefangennahme geführt hatten ehrenrätlich untersuchen zu lassen, um ihn von ehrenrührigem oder gar feigen Verhalten vor dem Feind freizusprechen. Auch wenn diese Vorgehensweise in Jahre 1916 schon etwas altmodisch wirkte, war, bis wenige Jahre zuvor, so ein Verfahren die übliche Routine wenn k.u.k. Offiziere in Gefangenschaft geraten waren.

Das k.u.k. Hafenadmiralat schrieb auf dieses Gesuch (Präs.Nr.606/M.A.) als „Verschluss-Sache“ wie folgt:

An Seine Wohlgeboren den Herrn k.u.k. Fregatten-leutnant Ernst Dery, Besitzer der Goldenen Tapferkeitsmedaille; Pola, am 29. Jänner 1916 ... Da die näheren Umstände unter denen Euer Wohlgeboren in feindliche Kriegsgefangenschaft geriet, nämlich beim Untergange S.M.S. ‚Zenta’ festgestellt sind und auch nicht der leiseste Zweifel darüber besteht, dass Sie hiebei Ihrer Soldatenpflicht voll und ganz erfüllt haben, so wird Ihre Bitte um Einleitung der ehrenrätlichen Untersuchung zwecks Rechtfertigung von der Offiziersversammlung im Sinne des Punktes 562 M.D.R.II.Teil abgewiesen...“

Nachdem Ernst Déry sich auch hier rein gewaschen sah, besuchte er die U-Boot Schule und wurde daraufhin Ende Dezember 1916 auf U 11 eingeteilt. Er machte mehrere Fahrten mit und kam im September 1917 als zweiter Offizier auf U 27. Déry blieb in dieser Funktion bis zur letzten Fahrt. Mit Entschließung vom 2. März 1918 wurde im die Allerhöchste Anerkennung für sein tapferes Verhalten vor dem Feind ausgesprochen, was ihm zum Tragen der Bronzenen Militär-Verdienstmedaille („Signum Laudis“) am Band für Kriegsverdienste mit Schwertern berechtigte. Im Frühjahr 1918 heiratete er Alice Karlovszky. Mit Allerhöchster Entschließung vom 8. Juli 1918 wurde ihm das Militärverdienstkreuz 3.Klasse mit Kriegsdekoration und Schwerter verliehen. Im Oktober absolvierte Fregattenleutnant Déry den U-Boot-Kommandanten-Kurs. Mit 1. November 1918 wurde er noch zum Linienschiffsleutnant ernannt.

Am 29. Jänner 1919 stellte er den Antrag auf Erhalt der ungarischen Staatsbürgerschaft und mit selben Datum, pikanterweise gleich in der Budapester Botschaft, auch den Antrag auf italienische Staatsbürgerschaft. Beiden Anträgen wurde übrigens unverzüglich statt gegeben – es war also aus dem Österreicher Ernst Déry über Nacht der Ungar Déry Ernö und der Italiener Ernesto Déry geworden! Dass er, als in Pola geborener Marineoffizier, nicht auch um die Staatsbürgerschaft des neu gegründeten S.H.S.-Staates, dem Vorläufer des Jugoslawischen Königreichs, ansuchte, dürfte auf die Erfahrungen, die er während seiner Kriegsgefangenschaft in Montenegro gemacht hatte, zurück zu führen sein. Schließlich entschied er sich doch, trotz fehlenden Meeres, in Ungarn zu bleiben, wo er die Technische Universität in Budapest besuchte und 1928 Maschinenbauingenieur wurde. Déry Ernö kam später zur ungarischen Donauflottille wo er 1935 zum Oberstleutnant und schließlich 1940 zum Oberst avancierte. Er starb am 14. Februar 1964 in Budapest.

© Jörg C. Steiner, Wien

 

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