Johann Götsch

1883-1946

 

Johann Götsch wurde am 23. Mai 1883 in Haiming im Oberinntal geboren. Mit 14 Jahren kam er als Hüterbub erst in die Bodenseegegend um schließlich in Singen am Hohentwiel im badensischen Kreis Konstanz seine zweite Heimat zu finden. Seinen Präsenzdienst leistete er zwischen 1905 und 1908 bei den Kaiserjägern in Salzburg ab. Danach arbeitete er in einem Sägewerk und heiratete 1913. Im August 1914 wurde er als Reservist zum 2. Regiment Tiroler Kaiserjäger eingezogen. Er ging im Verband der 5. Feldkompanie an die russische Front nach Galizien ab, wo er sofort ein Musterbeispiel an höchster Tapferkeit ablegte.

Als in den ersten Septembertagen 1914 das Vordringen russischer Einheiten bei Hujcze in der Flanke des Regimentes gemeldet wurde, ging Reserve-Jäger Götsch freiwillig und alleine zur Aufklärung in den Wald wo er wenig später die Gerüchte entsprechend verifizieren konnte. Bei dieser Unternehmung konnte er zusätzlich einen gefangenen, schwer verwundeten Kameraden befreien. Obwohl er bei dieser Aktion selber verwundet worden war, verweigerte er den Transport in ein Lazarett und machte auch noch das nächtliche Vorrücken mit der Truppe mit.

Am 7. September 1914 unternahm der, zahlenmäßig weit überlegene Feind, erneut einen Angriff gegen das Regiment. Götsch befolgt brav den Befehl in Schwarmlinie zu bleiben, bis der größte Teil der Kompanie bereits tot oder schwer verwundet liegen blieb. Zusammen mit zwei Kameraden versuchte er die Fahne, welche unter den ebenfalls bereits gefallenen Fahnenträger lag vor der Erbeutung durch die Russen zu retten. Dies gelang leider nicht, da die russische Übermacht das Häuflein Überlebender bereits eingeschlossen hat und schließlich alle, inklusive Johann Götsch, gefangen nahm.

Für diese Tat wurde der schneidige Tiroler zwar zur Goldenen Tapferkeitsmedaille eingegeben, durch die Gefangennahme wurde jedoch der Aktenlauf sofort stillgelegt. Eine übliche Praxis, die Aufnahme erfolgte normalerweise erst nachdem, nach einer eventuellen Rückkehr, zweifelsfrei festgestellt wurde, dass die Kriegsgefangenschaft nicht selbstverschuldet oder gar freiwillig erfolgt war, also keine „Feigheit vor dem Feind“ vorlag.

Wie aus zahlreichen ähnlichen Berichten zu entnehmen, war die Flucht aus der „Obhut“ russischer Kriegsgefangenenlanger nicht besonders schwer zu bewerkstelligen. Die Witterung, die Weite des Landes und die zahllosen Patrouillen entlang des unmittelbaren Hinterlandes der Front, machten es aber sehr schwierig zu den eigenen Truppen zurückzukehren. Johann Götsch hatte Glück und konnte, noch bevor er in ein weit im Osten gelegenes Kriegsgefangenenlager abtransportiert wurde, fliehen und sich bereits im Frühjahr 1915 zu den eigenen Truppen durchschlagen.

Da er unbedingt bei den Kameraden an der Front bleiben wollte, machte er sogleich die nächsten Kämpfe mit und wurde schwer verwundet. Besonders die Rettung seiner rechten Hand war für die Ärzte in den darauf folgenden Monaten eine große Herausforderung. Nach zahlreichen Operationen und monatelangem Spitalsaufenthalt wurde Johann Götsch schließlich als nicht mehr kriegstauglich in die Heimat entlassen.

Warum seit seiner Rückkehr aus der russischen Kriegsgefangenschaft keiner den Aktenlauf wieder in Gang gebracht hat ist ebenso unerklärlich, wie der Umstand, dass es 1918 dann offensichtlich doch jemand tut und so wird dem entlassenen Reserve-Jäger Johann Götsch am 23. September 1918, publiziert am 11. September 1920, die Goldene Tapferkeitsmedaille für seine, im September 1914 vollbrachte Tat, verliehen!

Johann Götsch, der nicht nur für sich und seine Frau, sondern auch für drei Söhne zu sorgen hatte, fand mittlerweile Beschäftigung als Arbeiter, ab 1920 als Angestellter, bei dem neuen Aluminium-Walzwerk in Singen. Dieser Arbeitsstätte hält er über 33 Jahre lang die Treue. Als einer der wenigen Träger der Goldenen Tapferkeitsmedaille wird er nach der Besetzung Österreichs durch die Truppen Großdeutschlands nicht ehrenhalber zum Offizier in der Deutschen Wehrmacht befördert. Aufgrund seines Gesundheitszustandes und Alters aber auch nicht mehr zur Kriegsdienstleistung herangezogen. Johann Götsch verstarb am 6. Oktober 1946 in Singen, wo er auch auf dem örtlichen Friedhof seine letzte Ruhestätte fand.

© Jörg C. Steiner, Wien

 

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