Otto Holler

1889-1958

 

Otto Holler wurde am 20. November 1889 in Marburg an der Drau, damals Steiermark, heute in Slowenien gelegen, geboren. Nach Ableistung seiner Wehrdienstpflicht verpflichtete er sich mit 7. Oktober 1910 zu einer Karriere als längerdienender Unteroffizier beim k.k. Landwehr Infanterie Regiment „Marburg“ Nr. 26, wo er mit 26. März 1911 zum Gefreiten befördert wurde. Aufgrund technischen Interesses und entsprechender Neigung begann er die Ausbildung zum Waffenmeister. Mit 1. Jänner 1912 wurde er zum Waffenmeister 3. Klasse ernannt und zum k.k. Landwehr Infanterie Regiment „Eger“ Nr.6 versetzt. Mit dieser Einheit ging er, am 1. August 1914 zum Waffenmeister 2. Klasse befördert, unmittelbar zu Kriegsbeginn an die Front.

Otto Holler war einer der ersten überhaupt, die mit einer Silbernen Tapferkeitsmedaille 2. Klasse (publiziert am 4. November 1914) ausgezeichnet wurden. Bei diesem Gefecht verwundet, war er bereits zum zweiten Male im Feld, als er sich als Kommandant der MG-Abteilung des 1. Bataillons des Landwehr-Infanterie-Regiments Nr.6, im Dezember 1914 gleich auch die Goldene Tapferkeitsmedaille holte! Die Regimentsgeschichte berichtet:

Otto Holler erhielt als Maschinen-Gewehr-Waffenmeister des LIR 6 Eger nach dem Heldentod seines Kommandanten Oberleutnant Bogumil Kačič im Gefechte vor Slatina in Serbien, am 5. Dezember 1914 wegen seines besonderen, tapferen und umsichtigen Verhaltens vor dem Feinde, das Kommando der M.G.-Abteilung I / LIR.6, obwohl zwei rangältere Feldwebel bei der M.G.-Munitionsstaffel eingeteilt waren.

Die Serben durchbrachen die linke Flanke unserer Stellung und gaben ein mörderisches Feuer, wobei der Kommandant an Hollers Seite, durch einen Halsschuss sofort tot, zusammen brach. Holler gab ununterbrochen aus den Maschinengewehren ein wirksames Feuer, sodass der Angriff abgewehrt und zum Stillstand kam. Holler hat bereits für das Gefecht am 16. August 1914 die ‚kleine Silberne’ erhalten. Er wurde an diesem Tage durch einen Bauchschuss und rechten Unterarmschuss mit Speichenbruch, schwer verwundet, ging aber kaum ausgeheilt am 12. November 1914 mit einer Ersatz-M.G.-Abteilung freiwillig wieder ins Feld zum Regiment nach Serbien.

Am 14. Dezember 1914 nachts wird eine vom Regiment abgetrennte Truppe, bei welcher die M.G.-Abteilung Holler eingeteilt ist, angewiesen den Waldweg nächst der Kirche Rokocina zu besetzen. Der im Morgengrauen gegen das Regiment angreifende Feind wird durch das, wegen Munitionsmangel allerdings nur spärliche, Feuer aufgehalten, als um 7 Uhr früh der Befehl zum weiteren Rückzug einlangte. Das Regiment erhält den Befehl, den Rücken nördlich Knecevac solange als möglich zu halten, um den Rückzug seines Korps zu decken. Um 3 Uhr nachmittags setzte heftiges feindliches Artilleriefeuer ein, starke feindliche Kolonnen können im Anmarsch beobachtet werden.

Die gegen das Regiment vorfühlenden feindlichen Vortruppen werden durch Infanterie- und M.G.-Feuer abgewiesen. Getreu seinem Auftrage, den Rückzug zu decken lässt sich das Regiment durch das Zurückfluten der eigenen Truppen links und rechts nicht beirren und harrt in kritischer Lage standhaft aus, bis bei Einbruch der Dunkelheit die Umfassung des rechten Flügels derart wirksam wird, dass der Rückgang nach Belgrad gefährdet erscheint. Erst zu diesem Zeitpunkt befahl das Regimentskommando den Rückzug.

Auch die vom Regiment detachierte Gruppe Oberleutnant Stöller kann mit Unterstützung einer Abteilung IR 68 und der M.G.-Abteilung Holler in der nächst Rakovica besetzten Stellung dem Feinde das vordringen erschweren, bis sie abends den Rückzugsbefehl erhielten. Ungeachtet des Rückzuges aller Abteilungen bleibt Waffenmeister Otto Holler, die Gefahr erkennend, welche die rasche Verfolgung der rückmarschierenden eigenen Truppen durch den Feind bedeutet, selbständig mit seiner M.G.-Abteilung noch die halbe Nacht in der Feuerstellung und verhindert durch kräftiges Feuer, immer wieder eine starke Nachhut vortäuschend, das Vordringen der Serben. Durch diese mit besonderer Tapferkeit, Geschicklichkeit und todesverachtendem Heldenmute vollbrachten Waffentat ermöglichte Holler den ungestörten Rückzug über die Save-Brücke und verhütete ein Debakel, welches zweifellos entstanden wäre, wenn der Feind stark nachgedrängt hätte.

Völlig isoliert, nach keiner Seite Verbindung habend, ohne Orientierung in der wildfremden Gegend, tritt die tapfere Schar nach stundenlanger Gegenwehr den Rückzug an und erreicht unter fortwährenden Kämpfen mit den feindlichen Patrouillen in stockfinsterer Nacht, am 5. Dezember 1914 um 3 Uhr früh endlich die Savebrücke bei Belgrad. Mit besonderer Willensstärke hat Holler seine Leute, welche die Gewehre, Gestelle und Schutzschilde kilometerweit tragen mussten, zusammengehalten.

Total erschöpft, mit wunden Schultern passiert das wackere Häuflein unter beschwerlichen Verhältnissen die Brückenteile der gesprengten Eisenbahnbrücke und am Abend rückt Waffenmeister Holler mit seiner braven Mannschaft und den geretteten Maschinengewehren samt Material zum Regiment ein. Laut Verordnungsblatt für die k.k. Landwehr Nr. 18 vom 20.2.1915 erhielt Waffenmeister Otto Holler die Goldene Tapferkeitsmedaille, die erste im Regiment, für die erfolgreiche, heroische Waffentat, bei welcher er trotz erhaltenem Rückzugsbefehl, feindlichen Angriffen in exponierter Lage heldenmütig und erfolgreich standhielt und unter schwierigen Verhältnissen die Maschinengewehre rettete.“

Da Otto Holler kurz darauf neuerlich leicht verwundet wurde, erfolgte die Dekorierung im Notreservespital in Marburg am 18. März 1915 durch den Spitalskommandanten Oberstabsarzt Dr. Spitz. Otto Holler, der mit 1. Juni 1915 zum Waffenmeister 1. Klasse befördert wird, bleibt auch weiterhin ein Beispiel hervorragender soldatischer Tugenden. Er holt sich die Silberne Tapferkeitsmedaille 1. Klasse und wird in rascher Folge mit 1. November 1916 zum Stabsfeldwebel und außertourlich wegen seiner Leistungen vor dem Feind mit 1. Dezember 1916 zum Offiziersstellvertreter befördert.

Einerseits den Allerhöchsten Befehl folgend, Träger der Goldenen Tapferkeitsmedaille aus der Front zu lösen um sie für die Ausbildung zu erhalten, andererseits, weil bei der Luftfahrtruppe tatsächlich ein großer Bedarf an guten Waffentechnikern bestand, wird Offiziersstellvertreter Otto Holler 1917 zur Luftfahrtruppe, genauer gesagt zur Stabsabteilung der Luftschiffer-Ersatztruppe, transferiert. Die Verleihung der Bronzenen Tapferkeitsmedaille, publiziert am 7. April 1917, und die der Silbernen Tapferkeitsmedaille 2. Klasse zum zweiten Mal, publiziert am 14. August 1917, erreichen ihn schon an seinem neuen Dienstort, dem Arsenal in Wien.

Da er in der Favoritenstraße 34 wohnt, nimmt er täglich die Straßenbahnlinie O von und zur Arbeitsstätte – was jedermann heute wohl auch noch so machen würde – jedenfalls wird ihm bei einem dieser Wege im April 1918 die Goldene Tapferkeitsmedaille entwendet. Ein entsprechender Aufruf im Luftschiffer-Tagesbefehl des Wiener Stationskommandos um sachdienliche Hinweise zur Ergreifung der Täter bleibt erfolglos. Doch es soll, im Allgemeinen, aber auch im Besonderen für Otto Holler, noch schlimmer kommen!

Nachdem die Siegermächte dem kleinen Österreich nur wenige Offiziere und Unteroffiziere zugestehen und auch das Fliegen gänzlich verboten wird, gibt es keine Verwendung mehr für Otto Holler. Zum Jahreswechsel 1919/20 verlässt er das Militär und macht sich vorerst, mangels anderer Möglichkeiten, als Handelsagent, später als Spediteur selbständig. Im Juni 1925 stirbt, nach dreijähriger schwerer Krankheit, seine erste Frau an Krebs und lässt ihn mit zwei kleinen Söhnen allein. Holler, der mittlerweile Büro und Wohnung zusammengelegt hat, heiratet zwei Jahre später neuerlich, da wieder ein Bub „unterwegs“ ist, die Mutter stirb jedoch im Wochenbett.

Am 24. März 1934 heiratet er zum dritten Mal. Nach der Geburt des vierten Sohnes und dem sich abzeichnenden Aus für seine Spedition mangels Aufträgen, wendet er sich verzweifelt an den Ring der Goldenen Tapferkeitsmedaille um Hilfe. Unter anderem schreibt er: „Ich war nie Arbeitslos gemeldet, doch ging es mir die letzten Jahre schon sehr schlecht, musste oft mit meinen Kindern hungern, doch hielt ich ohne zu betteln durch.“ Der „Ring“ kann tatsächlich helfen, zuerst erhält er eine günstige Gemeindewohnung im 10ten Bezirk, Untere Meidlingerstraße Ecke Triesterstraße, und dann im März 1936 eine Anstellung als „Lastauto-Fuhrwerker“ bei der Firma „Rona“ am Nordbahnhof.

Über seinen weiteren Lebensweg ist wenig bekannt. Nach der Besetzung Österreichs durch Großdeutschland wird er, wie viele Träger der Goldenen Tapferkeitsmedaille, dem Erlass anlässlich des Gedenktages der Tannenberg-Schlacht ehrenhalber zum Leutnant a. D. in der Deutschen Wehrmacht befördert. Bei Otto Holler geschieht dies mit einem der letzten Erlässe und zwar am 30. Juli 1940. Ob er noch zu irgendwelchen Kriegsdienstleistungen eingezogen worden ist scheint fraglich. Fest steht jedoch, dass er im Zuge seines Pensionsansuchens am 22. April 1953 den Bescheid erhält, dass er überhaupt kein österreichischer Staatsbürger ist!

Da Hollers Geburtsort, Marburg an der Drau, nicht mehr in Österreich liegt gilt er für die Behörden offiziell als Staatenloser! Ja, er ist heimatzuständig nach Wien und ja, er bezieht auch von Beginn an Tapferkeitsmedaillen-Zulage, aber er hätte niemals offiziell um die österreichische Staatsbürgerschaft angesucht und sei daher behördlicherseits kein Österreicher. Im Grunde eine haltlose, ja unverständliche Behauptung, aber in der unmittelbaren Nachkriegszeit, in einem, in vier Besatzungszonen aufgeteilten Land, voll mit staatenlosen Flüchtlingen von überall her, ist es ein ernstes Problem.

Zwei ganze Jahre benötig Otto Holler um endlich am 26. April 1955 das begehrte Dokument in Händen halten zu dürfen. Doch lange kann er sich darüber nicht freuen, der Österreicher Otto Holler stirbt am 17. Dezember 1958 in Wien.

© Jörg C. Steiner, Wien

 

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