Karl Kaindl

1881-1945

 

Karl Kaindl wurde am 21. Oktober 1881 in Konradschlag, heute Konrádov, nördlich von Prag geboren. Er war gelernter Maurer und absolvierte seinen Präsenzdienst beim k.u.k. Infanterie Regiment Nr. 19, dessen Bataillone in Prag und Budweis stationiert waren. Nach dem Kriegseintritt Italiens musste auch er seine Frau und den 1908 geborenen Sohn Karl verlassen, da er als Zugsführer der Reserve zu seinem Stammregiment eingezogen wurde. Als Zugsführer der Reserve wurde Karl Kaindl zuerst beim Ersatzkader, das während des Krieges in Bruck an der Leitha stationiert war, in der Ausbildung verwendet. Danach kam er zur 3. Feldkompanie, mit der er, nach einer Verwundung, im Herbst 1916 die 9. Isonzoschlacht mitmachte.

Durch die Hauptleitung des Vereins „Ring der Goldenen Tapferkeitsmedaille“ aufgefordert, verfasste er im Herbst 1936 sehr ausführliche Kriegserinnerungen, die hier aus Platzgründen nur teilweise wiedergegeben werden können. Seine erste Auszeichnung und zwar die Silberne Tapferkeitsmedaille 1. Klasse, erwarb er sich am Beginn der 10. Isonzoschlacht. Im Belohungsantrag dazu heißt es:

25. Mai 1917, Angriff von Selo Kote 247, bei Behauptung dieser Kote brachte Zugsführer Kaindl den richtigen Moment erkennend durch seine Entschlossenheit und Unerschrockenheit mit wenigen Leuten seines Zuges gegen die feindliche Übermacht vorbrechend dieselbe zum Weichen, nahm hiebei cirka einen feindlichen Zug samt einem Offizier gefangen.

Was hinter solchen lapidaren Worten steht begreift man erst, wenn man Kaindls eigenen Bericht verfolgt:

In der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 1917 kam meine, das ist die 3./91. Feldkompanie, zur Erholung und Ergänzung nach Perje, da die Kompanie von einem Stand von 5 Offizieren und 162 Mann in den schweren Kämpfen vom 25. bis 29. Mai 1917 bei unserem Gegenangriffen auf Kote 247 auf 3 Offiziere und 42 Mann zusammengeschmolzen war. Wir bezogen Freilager (d.h. Zelte) außerhalb der Sanitätsstation von Perje.

Doch eine längere Ruhephase war nicht möglich. Karl Kaindl sollte sich auch gleich noch die Goldene Tapferkeitsmedaille holen:

Doch am 3. Juni 1917 neuerlich eingesetzt gegen den Feind, welcher sich auf Kote 219 östlich von Jamiano festgesetzt hatte. Dortselbst lösten wir die Übriggebliebenen vom Infanterie Regiment Nr. 30 ab. Von einer Kompanie waren nur 1 Leutnant und 3 Mann noch übrig, da sie bei ihrem Gegenangriff so schwere Verluste erlitten hatten! Eingegrabene Stellungen fanden wir keine mehr vor. Der Feind hatte sich hinter einer mannshohen Steinmauer festgesetzt. In der Nacht vom 3. auf den 4. Juni 1917 haben wir die 30er abgelöst und rasch mit herumliegenden Steinen uns einen Kugelschutz gebaut. Die feindliche Stellung cirka 40 Schritte vor uns, die Steinmauer als 1. Linie, dazwischen Gestrüpp und Tote vom IR 30 und vom Feind. Von uns im rechten Winkel nach rückwärts schlossen die vom Infanterie Regiment Nr. 100 an. Der 1. Zug der 3./91. Feldkompanie wo ich eingeteilt war, bildete den äußersten rechten Flügel vom Bataillon. Dann kam der Befehl zum Angriff vorbereiten, die Rucksäcke sind in der Doline abzulegen, nur Munition und Handgranaten mitnehmen. Am 4. Juni um 15 Uhr beginnt unsere Artillerie mit dem Trommelfeuer gegen die feindlichen Stellungen bis um 5 Uhr früh. Der Feind ist aus allen Stellungen zu werfen und zu verfolgen. Unsere Flieger werden unser Vordringen beobachten um unsere Artillerie entsprechend unserem Vorgehen zu leiten.

Im Belohungsantrag heißt es zu den nun folgenden Ereignissen:

Für äußerst hervorragendes Verhalten vor dem Feinde. Zugsführer Kaindl bemerkte beim Angriff am 6. Juni 1917 auf Kote 219 östlich Jamiano in der eigenen rechten Flanke zwei feindliche Maschinengewehre und wie im selben Momente diese auf die eigenen Leute der Kompanie eingerichtet werden. Kurz entschlossen ging er mit todesverachtender Tapferkeit mit drei Mann dieselben an. Beim Anlaufen wurden seine Leute verwundet, sodass Kaindl allein in die feindliche MG-Vorstellung kam. Er stieß mit beiden Füssen die Gewehre um, die Bedienungsmannschaft derselben flüchtete vor ihm in eine nahe liegende Kaverne und eröffnete aus Revolvern das Feuer. In dem Momente kam Leutnant Wilhelm Walenta des I.R. 100 mit 3 Mann dem Zugsführer zu Hilfe. Die Kaverne wurde gestürmt und 38 Mann Bedienungsmannschaft gefangen genommen. Obgleich schwer verwundet, schleppte er das feindliche Maschinengewehr zurück, musste aber infolge Erschöpfung durch Blutverlust zwischen den Stellungen liegen bleiben. Er wurde samt MG später von anderen Leuten der Kompanie geborgen.

Nachdem seine Gesundheit wieder halbwegs hergestellt wurde, wird er abermals dem Ersatzkader in Bruck an der Leitha zum Leichtdienst zugeteilt. Hier lässt ihn, anlässlich einer Inspizierung am 17. August 1917, Generaloberst Wenzel Wurm zu sich rufen und über seine Waffentaten berichten, danach überreicht er Zugsführer Kaindl persönlich beide Tapferkeitsmedaillen und er wird zum (titular) Feldwebel befördert. Dieser besonderen Art der Verleihung verdankt es Karl Kaindl wahrscheinlich, dass er eine Medaille aus echtem Gold mit dem Bildnis Kaiser Karls ausgehändigt bekommt. Später wird er sie oft in höchster Not zum Versetzen im Dorotheum gebrauchen können.

Nach Kriegsende lässt sich die kleine Familie Kaindl bei Wien – Oberlaa und Atzgersdorf gehören damals noch nicht zum Gemeindegebiet – nieder, da er eine Anstellung als Ofenmaurer in der Chemischen Fabrik Waagman & Seybel in Liesing und später bei Schember’s Söhne in Atzgersdorf sogar als Polier, bekommt. Doch Arbeitslosigkeit und Krankheit machen auch vor ihm nicht Halt. Seine Frau verstirbt und auch sein Sohn Karl, gelernter Maschinenschlosser, findet aufgrund der allgemein schlechten Wirtschaftslage keine Arbeit mehr. Obwohl er dreimal durch Schussverletzungen verwundet und im Nahkampf mehrere Zähne ausgeschlagen bekommen hat, wird sein Invaliditätsgrad von 50% bei Kriegsende auf nur mehr 25% herabgesetzt, sodass auch die Invalidenrente nur noch ein minimales Einkommen darstellt.

Auf Intervention des Rings der Goldenen Tapferkeitsmedaille erhält er im Mai 1932 eine leichte Anstellung bei der Baugesellschaft A. Porr im sogenannten „Porrhaus“ in der Operngasse. Aufgrund plötzlich auftretender linksseitiger Lähmungen und anderer gesundheitlicher Probleme verliert Karl Kaindl diese Anstellung schließlich auch.

Nach dem sogenannten Anschluss Österreichs ans Großdeutsche Reich wird Karl Kaindl, ebenso wie fast alle anderen Träger der Goldenen Tapferkeitsmedaille, dem Tannenberg-Erlass folgend, ehrenhalber per 30. Juli 1940 zum Leutnant a.D. in der Landwehr der Deutschen Wehrmacht befördert. Angesichts seines Alters und seines Gesundheitszustandes ist jedoch eine Dienstverwendung während des Zweiten Weltkrieges eher unwahrscheinlich.

Nach den Aufzeichnungen des Rings der Goldenen Tapferkeitsmedaille ist Karl Kaindl Ende 1944 oder Anfang 1945 einem der zahlreichen Bombenangriffen auf Wien zum Opfer gefallen. Eine heute noch existierende Grabstätte konnte nicht ermittelt werden.

© Jörg C. Steiner, Wien

 

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