Leo Koch

1893-1948

 

Leo Koch kam am 2. Jänner 1893 in Ödenburg (Sopron) zur Welt. Nachdem er das Handwerk eines Friseurs erlernt hatte wurde er zur militärischen Grundausbildung eingezogen. Er meldete sich freiwillig zur Luftfahrttruppe und erhielt seine Pilotenausbildung nahe seiner Heimatgemeinde am Flugfeld Steinamanger. Nach erfolgter Ausbildung wurde er zur FliK 22, die im Rahmen der 2. Armee im Osten gegen die Russen eingesetzt war, transferiert. Durch sein fliegerisches Geschick und seine Schneidigkeit erwarb er sich in rascher Reihenfolge bereits als Korporal das Feldpilotenabzeichen und die Silberne Tapferkeitsmedaille 2. Klasse am 5. Juli 1916 (verlautbart am 18. Februar 1917). Sein Piloten-Diplom vom ungarischen Aeroclub trägt die Nummer 74 und wurde am 5. Mai 1916 ausgestellt.

Während der Brussilov-Offensive des Jahres 1916 befand sich Korporal Koch gerade auf einem Aufklärungsflug über den feindlichen Linien, als eine der zahlreichen Kugeln des Abwehrfeuers seinen Benzintank durchschlug. Geistesgegenwärtig schaltete Leo Koch sofort die Zündung ab und versuchte im Gleitflug die eigenen Reihen zu erreichen. Durch den Fahrtwind wurde unaufhörlich Benzin in sein Gesicht gespritzt, er war darum gezwungen die Fliegerbrille abzunehmen um wenigstens irgendetwas sehen zu können. Dadurch spritzte nun allerdings das Benzin direkt in seine Augen, was ihm fast das Augenlicht gekostet hätte. Trotz dieser Verletzung gelang es ihm ohne Motor über die Linien hinweg zu fliegen und unbeschadet bei den eigenen Truppen zu landen. Für diese außerordentliche Tat, neben der hervorragenden fliegerischen Leistung hatte er das wertvolle Flugzeug gerettet, wurde er mit der Silbernen Tapferkeitsmedaille 1. Klasse ausgezeichnet (verlautbart am 1. Juni 1917).

Nach seiner Wiederherstellung unternahm er, mittlerweile zum FP-Zugsführer befördert, am 4. März 1917 mit Beobachter Leutnant Szábo einen Aufklärungsflug über die russischen Linien in Wolhynien. Da eine Offensive unmittelbar bevorstand waren genaueste Aufnahmen der feindlichen Stellungen von größter Wichtigkeit. Das Abwehrfeuer war geradezu mörderisch und eine tiefhängende Wolkendecke verhinderte eine vernünftige Aufklärung aus sicherer Höhe. Da beiden Fliegern die Wichtigkeit ihres Auftrages wohl bewusst war, entschlossen sie sich durch diese Wolken hindurch zu stoßen und trotz des starken Abwehrfeuers sehr niedrig über die russischen Gräben hinweg zu fliegen.

Während Leutnant Szábo die erforderlichen Aufnahmen machte wurde das Flugzeug von Kugeln geradezu durchsiebt. Doch alles schien vorerst gut zu laufen, bis Zugsführer Koch von einem Projektil in den Kopf getroffen wurde. Das Blut schoss über sein Gesicht, nahm ihm die Sicht und er drohte ohnmächtig zu werden. Mit letzter Kraft steuerte er das Flugzeug in Richtung des heimatlichen Flugfeldes. Der Beobachter kletterte halb aus seinem Sitz und befreite seinen Piloten erstmal von Haube und Brille und legte dann einen notdürftigen Verband an um wenigstens seine Sicht freizuhalten. So flogen sie weiter Richtung Heimat!

Immer wenn der Pilot Koch das Bewusstsein verlor, bespritzte ihn der Beobachter Szábo mit Wasser aus seiner Feldflasche und so erreichten sie schließlich mit letzter Kraft das eigene Flugfeld. Zugsführer Koch war zwar noch in der Lage eine weiche Landung hinzulegen, dann aber schwanden ihm die Sinne und er wurde von herbeieilenden Kameraden ohnmächtig aus der Maschine geborgen. Für diese Leistung erhielt Leo Koch, im Lazarett von Stary-Witkow, die Goldene Tapferkeitsmedaille (verlautbart am 10. September 1917) und wie in solchen Fällen durchaus üblich, die preußische Kriegerverdienstmedaille des Verbündeten.

Nach dem Ausheilen seiner Wunde wurde Leo Koch, mittlerweile zum Feldwebel befördert, als Instruktor auf dem Flugfeld von Steinamanger verwendet. Dort heiratete er im Frühjahr 1918, wobei zehn Kameraden während der Zeremonie über dem Dorf Blumen abwarfen. Bis Ende 1918 wurde FP-Feldwebel Leo Koch noch mit der Bronzenen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet und selbstverständlich mit dem Karl-Truppen-Kreuz beteilt. Erschütterndes Detail, bei einem kurzen Aufenthalt in Stry wurden ihm von einem „Kameraden“ die Wertsachen, darunter auch die (echte) Goldene Tapferkeitsmedaille gestohlen!

Nach Kriegsende wollte sich Koch eine Existenz in seiner Heimatstadt Ödenburg aufbauen, als jedoch klar wurde, dass dieses als „Sopron“ von Ungarn einverleibt werden würde, entschloss er sich mit Frau und seinem neugeborenen Sohn Ende 1919 nach Innsbruck in Tirol zu ziehen. Hier fand er erst Anstellung als Friseur-Geselle und nach erfolgreich abgelegter Meisterprüfung konnte er sich 1929 mit einem eigenen Salon in der Amraser-Straße 34, gegenüber dem Hallenbad (das Haus wurde 1962 abgerissen), selbständig machen.

Doch die Zeiten waren hart, sein Geschäft lief mehr schlecht als recht und er konnte gerade seine kleine Familie ernähren. Darüber hinaus musste er auch noch seine, in Ungarn gebliebene Mutter, die als Angehörige der deutschen Minderheit in mehr als bescheidenen Verhältnissen lebte, finanziell unterstützen. Wahrscheinlich wäre es einfacher gewesen sie nach Tirol zu holen, sie weigerte sich aber trotz aller Widrigkeiten beharrlich ihre angestammte Heimat zu verlassen. Wie jedem echten Flieger fehlte Leo Koch natürlich auch die Möglichkeit zum Fliegen schmerzlich.

Wie für so viele waren also auch für Friseurmeister Leo Koch die Jahre der sogenannten Zwischenkriegszeit hart und entbehrungsreich. Wen wundert es also, dass er den „Anschluss“ an Großdeutschland im März 1938 aufs heftigste begrüßte. Als Angehöriger einer deutschsprachigen Minderheit aufgewachsen und als selbständiger Handwerksmeister sicherlich politisch nicht gerade „links“, versprach dieser Anschluss auch noch einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung, den man ja die Jahre zuvor von Innsbruck aus in ganz Deutschland hatte sehen können.

Begeistert stellte sich Feldwebel Leo Koch sofort der Deutschen Luftwaffe als Reservist zur Verfügung. Anlässlich der Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Schlacht bei Tannenberg wurden zahlreiche Träger der Goldenen Tapferkeitsmedaille mit Wirkung vom 27. August 1939 ehrenhalber zu Offizieren in der Deutschen Wehrmacht befördert – so auch Feldwebel Koch im Frühjahr 1940. Während des Zweiten Weltkrieges diente Leutnant Koch in verschiedenen Verwendungen am Flughafen und im Luftwaffenkommando in Klagenfurt. Die Akten sind diesbezüglich nicht vollständig, aber es könnte sein, dass er auch mit dem Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse ausgezeichnet worden ist und zu Kriegsende ebenda – zumindest kurzfristig – in britische Gefangenschaft geraten ist.

Wie auch immer, 1945 war für Leo Koch eine Welt zusammen gebrochen, sein Geschäft war praktisch zerstört und kaum wieder in Gang zu bringen. Am 1. Jänner 1948, einen Tag vor seinem 55igsten Geburtstag, sah Leo Koch keinen anderen Ausweg mehr und wählte den Freitod. Sein Grab befindet sich am städtischen Westfriedhof in Innsbruck.

© Jörg C. Steiner, Wien

 

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