Alois Kühn

1891-1965

 

Alois Kühn wurde am 10. Juli 1891 in Schleinbach (Niederösterreich) als Sohn des dortigen Bahnhofvorstandes geboren. Er besuchte die Realschule in Znaim, wo er 1909 maturierte und studierte danach ein Jahr an der Handelsakademie in Wien. 1910/11 trat er sein Einjährig-Freiwilligen-Jahr beim Wiener Infanterie Regiment Nr. 4 an, wechselte jedoch auf eigenen Wunsch im Laufe des Jahres zum Ruthenischen Infanterie Regiment Nr. 24, wo er zum Feldwebel-Kadettaspirant ausgemustert wurde. Dem Vorbild seines Vaters folgend trat Kühn in den Bahndienst und erhielt seine erste Anstellung in Sarajevo. Dies ist der Grund warum er seine Waffenübungen beim bosnisch-herzegowinischen Infanterie Regiment Nr.1 absolvierte um schließlich auch in diesem Regiment seine Beförderung zum Kadetten der Reserve zu erhalten. Obwohl er mittlerweile seinen Bahndienst in verschiedenen Ortschaften in Niederösterreich versah, wurde er Anfang 1915 zu seinem Stammregiment, nämlich dem bosnisch-herzegowinischen Infanterie Regiment Nr. 1, nach Budapest einberufen und ging mit diesem Regiment an die Karpatenfront ab.

Im Verband der 5. Feldkompanie bewährte er sich in mehrere Aktionen und wurde zum Fähnrich befördert. Bei dem am 27. Mai 1915 erfolgten Angriff südöstlich Turca mola kam die 5. Feldkompanie, die zu diesem Zeitpunkt von Fähnrich Kühn geführt wurde, zur Verstärkung der 8. Feldkompanie des deutschen Infanterie Regiments Nr. 224, das in harten Gefechten überaus empfindliche Verluste erlitten hatte. Alsbald brach ein heftiger russischer Ansturm auf die stark vorgeschobene Stellung herein. Das noch funktionierende deutsche Maschinengewehr wurde durch eine feindliche Handgranate unbrauchbar. Im Moment, wo die Russen im Sturme schon auf 50 Schritte herangekommen waren, sammelte Fähnrich Kühn den Rest seiner, mittlerweile auf 18 Mann zusammengeschmolzenen, Kompanie zu einem neuen Angriff.

Er selbst packte mit drei Mann ein Maschinengewehr und schob sich seitwärts nach vorne auf eine kleine Erhöhung. Von hier aus eröffnete er das Feuer in die Flanke der angreifenden Russen. Durch dieses kaltblütige und beispielgebende Verhalten war es Fähnrich Kühn, der dabei am Bein verwundet wurde, geglückt, den feindlichen Angriff zum Stehen zu bringen. Diese erfolgreiche Waffentat brachte ihm die Goldene Tapferkeitsmedaille ein. Als im Sommer 1936 die Hauptleitung des „Rings der Goldenen Tapferkeitsmedaille“ ihre Mitglieder aufforderte Beschreibungen ihrer Waffentaten abzugeben, schilderte Ing. Alois Kühn die obigen Ereignisse mit seinen eigenen Worten wie folgt:

Es war am Vormarsch aus den Karpaten ins vorgelagerte Hügelland. Die Russen suchten immer wieder sich zu stellen und das rasche Vordringen unserer Kolonnen aufzuhalten. Unser Regiment, bosnisch-herzegowinisches Inf. Rgt. No.1, war dem deutschen Korps Linsingen zugeteilt. Am 15. Mai 1915 spät nachmittags hatte ein deutsches Bataillon vor Stryj eine russische Stellung zu nehmen, erlitt aber so große Verluste, dass während des Angriffs meine Kompanie zur Verstärkung eingesetzt wurde.

Die Russen waren am Rande eines schütteren Waldes eingegraben und konnten das glatte Vorfeld mit ihren Maschinengewehren gut bestreichen. Unter schweren Verlusten konnten wir die Russen spät abends aus ihren Stellungen werfen. Nicht weit hinter dieser Stellung hatte der Gegner einen zweiten, vorbereiteten Graben bezogen. Da der Feind unsere Verluste kannte, hatten wir mit einem Gegenangriff zu rechnen. Ich hatte als ältester Fähnrich das Kommando der Kompanie übernommen. Kaum graute es, griffen die Russen auch schon an, überschütteten uns mit Maschinengewehrfeuer und Handgranaten und stürmten vor. Ich sehe links von mir Russen in den Graben eindringen, die Front bröckelt trotz heftiger Gegenwehr ab, bald weicht auch der größte Teil meiner Kompanie zurück. Ich spüre plötzlich stechende Schmerzen im linken Fuß. Rasch entschlossen packe ich mit drei Mann ein Maschinengewehr und Munition und schiebe mich seitwärts nach vorne auf eine kleine Erhöhung. Von hier aus wird nun das Feuer in die Flanke der Russen eröffnet. Dadurch wird der Gegner sichtlich verwirrt, ein Teil beginnt zurückzulaufen, der andere Teil sucht Deckung. Es ist geglückt, den Angriff zum Stehen zu bringen, unsere spärlich besetzte Front aufzurollen, ist abgewendet. Es wird auch noch ein zweites Maschinengewehr und Munition, das unrettbar verloren gegangen wäre, dadurch gerettet. Ich kann noch zwei Mann meiner Kompanie zu mir heranwinken. Wir sind jetzt fünf Mann, zwei davon verwundet. Die zurückgegangenen Leute meiner Kompanie haben sich in unserem Rücken rasch wieder eingegraben. Ich stehe auf ziemlich vorgeschobenen Posten und bin fest entschlossen, jeden neuerlichen Angriff der Russen abzuwehren. Dazu heißt es sparsam mit der knappen Munition zu sein.

Jetzt, nachdem es ruhiger geworden ist, kann ich erst meinen schmerzenden Fuß untersuchen. Die Hose ist zerfetzt, dicke Blutkrusten kleben am Schenkel, knapp neben dem Knochen war der linke Oberschenkel durchschossen. Ich schneide mir Streifen aus meinem Hemd um die Wunde notdürftig zu verbinden. Wir müssen nun den ganzen Tag über auf unserem Posten ausharren. Wundfieber schüttelt mich und ich kann mich nur mit äußerster Willensanstrengung gegen Ohnmachtsanfälle wehren. Gegen Abend wird ein Verwundeter, der nicht gehen kann, zurückgetragen und wir rücken zu unserer bereits verstärkten Front ein. Hier kann ich endlich sachgemäß verbunden werden. Nach drei Tagen bin ich mit hinkendem Fuß doch wieder auf dem Vormarsch.“

Am 23. Mai 1915 wurde Alois Kühn zum Leutnant der Reserve befördert. Im September 1915 geriet er jedoch in russische Gefangenschaft und wurde fünf Jahre nach Sibirien verschleppt.

Erst im Jahre 1920 heimgekehrt trat er wieder in den Bahnhofsdienst in Wien und studierte nebenher an der Technischen Hochschule. Nach Erwerb des Ingenieur-Diploms wurde er 1927 nach Innsbruck transferiert, wo er bei der Bundesbahn im Elektrifizierungsdienst Verwendung fand und bis zum Zentralinspektor der ÖBB aufstieg. In späteren Jahren oblag ihm auch die Leitung der Elektro-Abteilung für elektrische Energieerzeugung und -verteilung in Innsbruck.

Zentralinspektor i.R. Oberbahnrat Dipl. Ing. Alois Kühn blieb ledig und verlebte seine Ruhejahre in Innsbruck. Als er zu Weihnachten 1964 seine Schwester in Wien besuchte, erkrankte er und verstirbt bereits am 28. Jänner 1965. Er wird am 10. Februar 1965 eingeäschert und seine Urne im Familiengrab am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

© Jörg C. Steiner, Wien

 

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