Vinzenz Magerl

1891-1954

 

Vinzenz Magerl wurde 1891 geboren und war nach Gurkfeld im Herzogtum Krain (heute Slowenien) heimatzuständig. Magerls Muttersprache war Deutsch, seine Eltern waren aus beruflichen Gründen in diese mehrheitlich slowenische Umgebung gezogen. Er rückte 1912 zum (slowenischen) k.u.k. Infanterie Regiment Nr. 17 ein, transferierte jedoch schon bald zur neuentstehenden Fliegertruppe, wo ein großer Bedarf an fähigen, den neuen Technologien aufgeschlossenen Mechanikern herrschte.

Zu Kriegsausbruch finden wir Vinzenz Magerl als Apparatewärter (= fertig ausgebildeter Flugzeugmechaniker) bei der Fliegerkompanie 15, mit der er auch Anfang November an die russische Front abgeht. Hier konnte Magerl sein außerordentliches Geschick als Mechaniker beweisen und wurde bereits im Februar 1915 mit dem Silbernen Verdienstkreuz ausgezeichnet, eine relativ hohe Auszeichnung für einen Gefreiten - und noch etwas zeigte sich sehr rasch: seine Begabung für das Fliegen!

Magerl hatte Glück, gerade zu Kriegsbeginn zeichnete sich sehr deutlich ab, dass man in Zukunft nur mit Offizierspiloten kein Auslangen mehr finden würde und man war fieberhaft auf der Suche nach geeigneten Männern, die man zu Unteroffizierspiloten ausbilden könnte. Vinzenz Magerl beendete seine Pilotenausbildung mit der Ernennung zum Flugzeugführer per 16. Oktober 1915; mit diesem Datum wird er übrigens auch gleichzeitig zum Korporal befördert und zur Fliegerkompanie 6 an die montenegrinische Front transferiert.

Schon zu diesem Zeitpunkt zeigte sich deutlich der über den „Tellerrand“ einer militärischen Karriere hinausgehende Weitblick von Vinzenz Magerl. Viele militärisch ausgebildete Piloten dachten damals aus durchaus verständlichen Gründen nicht an ein „Leben danach“ und kümmerten sich gar nicht oder erst nach dem Krieg um eine zivile Anerkennung ihrer Pilotenausbildung, nicht so Vinzenz Magerl, er nahm sofort mit dem Aeroclub Kontakt auf und erhielt so sein internationales (ziviles) Piloten-Diplom mit der Nummer 201 bereits am 23. August 1915!

Kaum am süd-östlichen Kriegsschauplatz angelangt wäre seine Laufbahn auch schon fast zu Ende gewesen, doch die wirklich Fähigen haben ja bekanntlich auch immer das nötige Quäntchen Glück auf ihrer Seite. Bei einem Aufklärungsflug in der Lohner BVII 17.07 geriet er am 8. November 1915, zusammen mit dem Beobachter Landsturm-Leutnant Hans Schweinburg infolge von feindlichem Gewehrfeuer unverwundet in montenegrinische Gefangenschaft.

Zusammen mit den ebenfalls kurz zuvor in Gefangenschaft geratenen Julius Arigi und dessen Beobachter Capek, gelang jedoch die Flucht in spektakulärer Weise durch die Entwendung einer Luxuslimousine aus dem Fuhrpark des montenegrinischen Königs Nikita. Mit diesem Hofauto, ausgestattet mit der Fliegern allgemein nachgesagten Kaltblütigkeit fuhren die Vier am 23. Jänner 1916 einfach frech durch alle Sperren und Posten zurück bis zu den österreichischen Linien. Obwohl einige Posten schossen und an dem Auto die Gummibereifung fehlte, gelang das Husarenstück - nochmals in montenegrinische Gefangenschaft zu gelangen wäre jedoch für jeden der vier Helden nicht gut ausgegangen.

Nach der Eroberung Montenegros verlegte die FliK 6 nach Skutari in Nordalbanien. Hier wurden in den nächsten Monaten unter unvorstellbaren Bedingungen - in technischer wie hygienischer Hinsicht - Photo- und Bombeneinsätze bis gegen Valona geflogen. Sowohl die Anzahl, als auch die Länge der Einsätze stellte für die Piloten, zumal unter diesen äußeren Bedingungen, bis dahin noch nicht gekannte Herausforderungen dar. Obwohl die Tätigkeit nicht spektakulär war konnten hier die Piloten der FliK 6 durchwegs Erfahrungen und Fertigkeiten erwerben, die sich im weiteren Verlauf des Krieges als unschätzbar herausstellen sollten.

Vinzenz Magerl wurde nach Erreichung der entsprechenden Feindflüge am 25. März 1916 zum Feldpiloten ernannt - die Verleihung des Feldpilotenabzeichens datiert mit 14. April. Am 6. April 1916 wird er zum Feldpilot-Zugsführer befördert und Ende März 1916 mit der Silbernen Tapferkeitsmedaille 1. Klasse dekoriert.

Im Mai 1916 wird für den russischen Kriegsschauplatz die Fliegerkompanie 25 neu aufgestellt und mit einer entsprechenden Mischung aus neuen und erfahrenen Piloten besetzt - Magerl ist einer von ihnen. Kurz nach Eintreffen erringt er hier auch während der Brussilow-Offensive seinen ersten Luftsieg. Am 12. Juni 1916 um 19 Uhr 30 abends gelingt ihm, zusammen mit Beobachter Oberleutnant Rudolf Weber im Brandenburg CI 26.21, der Sieg über einen russischen Voisin-Zweisitzer bei Zbaraz. Dieser Aufklärer wird zuerst durch MG-Beschuss und als dieses Ladehemmung hat durch gezieltes Feuer mit dem mitgeführten Repetier-Stutzen zum steilen Sturzflug und entsprechend havarierter Notlandung hinter den feindlichen Linien gezwungen. Oberleutnant Weber wird dabei durch den russischen Beobachter leicht verletzt, anschließend beim Rückflug durch heftigen Flak-Beschuss schwer verletzt.

Beide erhalten keinerlei Auszeichnung - feindliche Flugzeuge abzuschießen ist, zumindest bis Ende 1917, einfach nicht Sinn und Zweck der k.u.k. Fliegerei: Aufklärung, Bombardement, Artillerie-Feuerleitung: Ja; alles andere: Nein. Der Luftkampf mit dem Feind als Selbstzweck wird vielfach strickt abgelehnt, zumal das Risiko das eigene Flugzeug zu beschädigen, oder gar ganz zu verlieren dabei besonders hoch war. Bei den in Österreich-Ungarn chronischen Nachschubproblemen vor allem bei Motoren und Ersatzteilen war ein Luftkampf - Sieg hin oder her - einfach in den Augen der meisten Vorgesetzten purer Leichtsinn und wenn überhaupt nur dann besonders gewürdigt, wenn der Feind möglichst unbeschädigt hinter der eigenen Front zur Landung gezwungen wurde, so konnte man das Flugzeug oder wenigstens die wichtigsten Teile (Motor, MG) sofort in der eigenen Truppe verwenden. Oft wurden, gerade an der russischen Front tagelang ausschließlich nach abgeschossenen Wracks gesucht, nur um diese Teile bergen zu können, bevor es der Feind tun konnte!

Durch die zahlreichen Einsätze und Belastungen zeigten sich bei den meisten Piloten physische und psychische Erschöpfungszustände, dieses neuartige Phänomen nannte man im Fliegerjargon „abgeflogen“. Auch Magerl zeigte bereits einige Anzeichen dafür. Bei der Überstellung eines Fokker-Eindeckers vom Fliegeretappenpark zum eigenen Flugfeld musste er bei Brzezany wegen eines Motordefektes notlanden. Durch eine Unkonzentriertheit verletzte er sich dabei auch noch leicht und so wurde er als „abgeflogen“ per 1. September 1916 zur Waffenversuchs-Fliegerkompanie des Fliegerarsenals nach Fischamend versetzt, immerhin war er von Kriegsbeginn an permanent im Einsatz gewesen.

Hier konnte er sich etwas vom Stress erholen und wurde darüber hinaus zum Feldpilot-Feldwebel befördert. Doch lange kann man in Kriegszeiten auf gute Piloten nicht verzichten, bereits Anfang Februar wird Magerl als Pilot zur neu aufgestellten FliK 42J, der zweiten reinen Jagdfliegerstaffel, die in der k.u.k. Fliegertruppe aufgestellt wurde, eingeteilt und nach Wiener Neustadt zur Fliegerersatzkompanie 6 kommandiert um seine Jagdfliegerausbildung für den Brandenburg KD Jagd-Einsitzer zu absolvieren. Anfang Mai 1917 ging er mit der FliK 42J an die Isonzofront ab. Diese wurde zu Beginn der 10. Isonzoschlacht am 12. Mai 1917 mit 6 KD-Jagdflugzeugen und 6 Piloten auf dem Flugfeld Sesana als einsatzbereit gemeldet.

Zu diesem Zeitpunkt sind die Österreicher den italienischen Luftstreitkräften bereits technisch und zahlenmäßig weit unterlegen. Durch das Heranführen französischer und amerikanischer Truppen wird dieser Zustand praktisch monatlich schlimmer. Im Mai 1917 zum Beispiel absolvieren die 6 Piloten der FliK 42J 49 Einsätze mit einer Gesamtflugdauer von 60 Stunden, wobei es zu 12 Luftkämpfen kam. 2 KD wurden abgeschossen (eine im Luftkampf, eine von der Flak), zwei weitere gingen durch Motordefekt verloren (Vergaserbrände). Von den neu gelieferten Brandenburg gingen gleich drei ohne Feindeinwirkung verloren: ein Vergaserbrand, eine Totalhavarie bei der Landung auf dem steinigen Flugfeld und beim 28.32 brach dem Piloten beim Start das Fahrgestell, dieser machte natürlich trotzdem den Feindflug, bei der Landung ging die Maschine aber vollkommen zu Bruch. Die meisten Motordefekte gingen auf das Konto des minderwertigen Motoröls, die permanent auftretenden MG-Versager waren auf häufige Hülsenreißer zurückzuführen. Dies nur zur Illustration unter welchen Rahmenbedingungen hier geflogen und gekämpft werden musste.

Am 5. Juni 1917 um 18 Uhr 45 abends schoss Vinzenz Magerl im KD 28.18 einen italienischen Coudron-Aufklärer bei Ronchi hinter den feindlichen Linien ab. Dieser, sein zweiter Luftsieg ist durch Meldungen der Infanterie sowie durch zwei mitfliegende Kameraden bestätigt. Er erhält dafür später die Silberne Tapferkeitsmedaille 1. Klasse zum 2. Mal.

Am 19. August 1917 schießt er gemeinsam mit FP-Oberleutnant i.d.Res. Otto Jäger bei San Giovanni neuerlich einen italienischen Zweisitzer ab. Vergleicht man die beiden Belohnungsanträge (Magerl: Goldene Tapferkeitsmedaille/Jäger: Orden der Eisernen Krone 3.Klasse) bezeichnet Magerl die Maschine als Coudron, Jäger ist sich bei der Type nicht so sicher. Oberleutnant Jäger erhält für diesen, seinen 7. Luftsieg den Orden der Eisernen Krone 3. Klasse mit Kriegsdekoration und Schwerter - Feldwebel Magerl wird mit der Silbernen Tapferkeitsmedaille 2. Klasse belohnt!

Am 26. September 1917 erringt Vinzenz Magerl seinen 4. Luftsieg. Er fliegt gemeinsam mit FP-Oberleutnant i.d.Res. Ernst Strohschneider (Chefpilot der FliK 42J), FP-Zugsführer Ferdinand Udvardy und FP-Korporal Karl Teichmann einen Angriff und es gelingt ihm einen italienischen Spad-Einsitzer bei Ronchi über feindlichem Gebiet abzuschießen. Dieser Luftsieg wird auch von Stoluft der 1. Isonzoarmee, Hptm.d.GenStbs Anton Sieber, bestätigt. Hierfür erhält Magerl, nachdem er per 20. Oktober 1917 zum FP-Stabsfeldwebel befördert worden war die Goldene Tapferkeitsmedaille!

Die permanenten Strapazen bleibt jedoch nicht ohne Folgen: Magerl wird im März 1918 als  „abgeflogen“ zur Fliegerersatzkompanie 20 bei der Fliegerschule Campoformido transferiert und im Weiteren dort als Fluglehrer verwendet. Zu diesem Zeitpunkt hat er insgesamt 126 Feindflüge absolviert und 4 bestätigte Luftsiege erzielt. Für die Bedingungen des 1. Weltkrieges galten mehr als 100 Feindflüge als extreme Seltenheit und nach internationalen Usancen wurden Flieger bei Freund und Feind ab 5 Luftsiegen als „Flieger-Asse“ bezeichnet.

Vinzenz Magerl blieb bis zum Kriegsende Fluglehrer an der Fliegerschule, wo er noch zum FP-Offiziersstellvertreter befördert wurde und nachträglich das Karl-Truppen-Kreuz erhielt. Der Verbündete stellte sich übrigens mit der Verleihung der preußischen Kriegerverdienstmedaille ein, eine übliche Geste bei Trägern der Goldenen Tapferkeitsmedaille.

Nach dem Kriegsende stellte sich Magerl sofort dem neuen österreichischen Staat zur Verfügung und wurde in Aspern bei der deutsch-österreichischen Flughafenpolizei eingeteilt. Nach deren Auflösung 1919 sah es für einen Piloten in den besiegten Staaten nicht gerade rosig aus. In Prag wird die französisch-tschechische Zivilfluglinie CIDNA, die im Wesentlichen die Verbindung Paris-Prag-Bukarest erhalten soll, gegründet. Magerl wird, erleichtert durch sein bereits international anerkanntes Diplom, erster Flugkapitän dieser Linie - das obenstehende Photo zeigt ihn übrigens in der Uniform dieser Fluglinie!

Sobald jedoch in Österreich eine eigene Zivilluftfahrtlinie, die OELAG, gegründet wird ist auch Flugkapitän Vinzenz Magerl wieder in der Heimat. Er wird nicht nur der erste „Flugkilometer-Millionär“ in Österreich, sondern bis 1938 auch jener Pilot mit den meisten geflogenen Kilometern der OELAG. Er ist verheiratet mit Emma, gemeinsam haben sie einen Sohn namens Helmut. Als 1938 die OELAG nicht ganz freiwillig in die DLH umgewandelt wird fliegt Flugkapitän Vinzenz Magerl also als Zivilpilot der Deutschen Lufthansa weiter. Am 25. Juli 1954 ist Flugkapitän Vinzenz Magerl nach einem 64jährigen erfüllten Fliegerleben endgültig „abgeflogen“. Er wurde am 30. Juli 1954 im Familiengrab auf dem Eßlinger Friedhof beigesetzt.

© Jörg C. Steiner, Wien

 

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