(Franz) Gustav Mistelbauer

1896-1979

 

Am 19. Juni 1896 wurde dem Ehepaar Ferdinand und Anna Mistelbauer in Haag bei Neulengbach (Niederösterreich) Zwillinge geboren. Das erstgeborene Mädchen, Anna Gabriela getauft, verstarb allerdings nach wenigen Monaten am 17. März 1897, der jüngere Zwilling, ein Bub mit den Taufnamen Franz Gustav, wuchs jedoch zu einem Mann heran und verwendete in Folge stets nur seinen zweiten Vornamen. Nach erfolgreich abgelegter Matura und der Absolvierung des Einjährig-Freiwilligen-Jahres beim Feldjäger Baon 7, besuchte Gustav Mistelbauer die Hochschule, er wollte Architekt werden. Der Verlauf des Krieges beendete jedoch vorerst sein Studium. Als erste Auszeichnung erwarb sich Fähnrich der Reserve Gustav Mistelbauer an der Italienfront gleich die Silberne Tapferkeitsmedaille 1. Klasse. Auf Wunsch des Rings der Goldenen Tapferkeitsmedaille schilderte Gustav Mistelbauer Ende August 1936 die Tat, die zur Verleihung der Goldenen Tapferkeitsmedaille führte wie folgt:

Am 19.11.1917, nachmittags wurde ich zum Brigadekommando gerufen und erhielt vom Brigadier Herrn Oberst Soos persönlich den Befehl mit einer Patrouille von 14 Mann, die ich mir aussuchen könne, in der kommenden Nacht vor die eigenen Stellungen vorzustossen, gegen Osten in der Richtung Forzelona zu marschieren und Verbindung mit dem Regiment Nr. 77 auszunehmen. Ich suchte mir 14 Freiwillige, darunter einen Unterjäger (= Korporal) und einen Patrouillenführer (= Gefreiter), aus meinem Jägerbataillon Nr. 7 aus, liess menagieren, Schneemäntel und pro Mann 8 Handgranaten ausfassen. Anstelle der Rüstung hatten die Leute nur Gewehr und je 100 Patronen mitzunehmen, um das Vorwärtskommen in dem unbekannten und schwierigen Gelände zu erleichtern.

Um 10 Uhr nachts passierten wir die eigenen Vorposten und wechselten Feldruf und Erkennungszeichen. Ab und zu zog ich an geschützten maskierten Punkten meine Karte zur Hand, um die Richtung nicht zu verlieren. Die Nacht war still und finster. Mit größter Vorsicht, Spitze und Flankensicherung verfolgten wir unseren Weg, um in keinen Hinterhalt zu geraten. Gegen 2 Uhr morgens erreichten wir den Fuß der Forzelona, welche sich nachnäherer Untersuchung als bewaldeter und zerklüfteter Hügel erwies. Vom Regiment Nr. 77 war keine Spur zu sehen, wohl aber vernahmen wir nach längerem Horchen italienische Stimmen und Waffengeklirr, welche auf eine starke Besatzung dieses strategisch wichtigen Hügels schliessen liessen. Ich beschloss daher im Dunkel der Nacht die feindliche Besetzung zu überfallen und gefangen zu nehmen, um der Brigarde am nächsten Tag den Vormarsch gefahrloser zu gestalten und um die gewünschte Verbindung mit Regiment 77 herzustellen.

12 meiner Jäger liess ich am Hügelhang ausschwärmen und gab den Befehl punkt 4 Uhr morgens einen Feuerüberfall durchzuführen und dann die feindliche Linie zu stürmen. Ich selbst benützte die Vorbereitungszeit von ca. 2 Stunden, um mit 2 Jägern, vorsichtig und lautlos den Gipfel des Hügels zu gewinnen. Der Aufstieg war schwer, nachdem viel Schnee lag. Ich hatte Glück. Die Feinde hatten nichts bemerkt. Um ½ 4 Uhr hatten wir die Kuppe erreicht und beobachteten einen italienischen Posten, wie er abgelöst wurde. Um 4 Uhr früh erfolgte vorschriftsmässig ein ohrenbetäubender Feuerüberfall. Wir sprangen vor, säuberten den feindlichen Graben, machten ca. 20 Gefangene und erbeuteten 3 Maschinengewehre, sowie andere Waffen und viel Munition. Die übrigen Italiener, es war nach Angaben der Gefangenen eine Kompanie, entkamen in der Dunkelheit. Die Gefangenen wurden in eine Holzbaracke eingesperrt und gut bewacht.

Nachdem die feindliche Stellung zu weiträumig war und bei einem feindlichen Gegenangriff nicht zu halten gewesen wäre, liess ich nur einen günstigen Stützpunkt zur Verteidigung herrichten. Den Unterjäger und 2 Mann sandte ich in östlicher Richtung aus, um womöglich das Regiment 77 zu erreichen. Die Leute kamen jedoch beim Morgengrauen unverrichteter Dinge zurück. Darauf marschierten wir mit den Gefangenen und unter Mitnahme der Maschinengewehre in das eigene Lager zurück, wo wir um ca. 9 Uhr vormittags wohlbehalten ankamen.“

(Der hier genannte Brigadier Oberst Soos ist übrigens der, mit Stichtag 8. September 1917 noch zum Generalmajor beförderte, Karl Sóos von Bádok. Einer der wenigen Offiziere, der zweimal mit dem Militäverdienstkreuz 2. Klasse ausgezeichnet worden ist.)

Unmittelbar nach dieser nächtlichen Patrouille, während der Kämpfe um den Monte Meletta, wurde Fähnrich Mistelbauer schwer verwundet. Durch ein DumDum-Geschoß wurde sein rechter Unterschenkel derart massiv verletzt, dass dieser schließlich amputiert werden musste. Ein gleichzeitig erhaltener Schuss in den linken Vorfuß zerstörte dort die Beweglichkeit der Zehen. Gustav Mistelbauer wurde letztendlich als 75% Invalide eingestuft und noch zum Leutnant in der Reserve befördert.

Das, persönlich von Generalmajor Sóos von Bádok verfasste, Ansuchen auf Verleihung der Goldenen Tapferkeitsmedaille konnte leider bis Kriegsende nicht fertig behandelt werden. Erst das Staatsamt für Heerwesen sprach eine nachträgliche Zuerkennung am 19. November 1919. Gustav Mistelbauer konnte dadurch zwar niemals um die Tapferkeitsmedaillenzulage einreichen, bekam aber immerhin zwei Jahre nach der Tat das sichbare Zeichen für seinen Heldenmut. In der Begründung wurden sein „vorbildliches und tapferes Verhalten am 20.11.1917 beim Nachangriff und Sturm auf den Forzelona und am 22.11.1917 beim Sturm auf den Badelecke (Monte Meletta)“ hervorgehoben.

Nach dem Krieg ließ sich Gustav Mistelbauer mit seiner Frau in Villach als Zivilarchitekt nieder. Doch die Zwischenkriegszeit war, auch bedingt durch seine Behinderung, wirtschaftlich schwer. Er versuchte sich als Bautechniker, Baumeister, Architekt, Planzeichner, doch laut seinen Angaben war er ab 1. November 1933 defacto arbeitslos. Über seinen weiteren Lebensweg konnte wenig ermittelt werden. Zusammen mit den anderen in der Stadt Villach lebenden Trägern der Goldenen, wurde er 1931 zum Ehrenbürger ernannt. Aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes wurde er sicherlich nicht zu einer Dienstleistung im 2. Weltkrieg herangezogen. Gustav Mistelbauer verstarb am 26. Jänner 1979 in Villach.

© Jörg C. Steiner, Wien

 

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