Georg Pögl

1888-1972

 

Georg Pögl wurde am 24. April 1888 in Kirchdorf am Inn (Oberösterreich) geboren. Nach Ableistung seines Wehrdienstes trat er in den Dienst der Wiener Polizei ein, von wo er als Reserveunteroffizier zum k.u.k. Infanterie Regiment Nr. 59 mobilisiert wurde. In diesem Regiment versah er in verschiedenen Kompanien die Stelle des Dienstführenden Unteroffiziers. Während seiner Kriegsdienstzeit wurde er insgesamt dreimal verwundet – ein Durchschuss in den Oberschenkel, ein Streifschuss am Oberarm und eine Trommelfellsprengung – und konnte sowohl die Silberne 1. Klasse, als auch die Goldene Tapferkeitsmedaille erringen. Über die Umstände, die zur Verleihung dieser beiden höchsten Tapferkeitsauszeichnungen geführt haben verfasste er später folgende Berichte:

Am 15. Mai 1916, als die Durchbruchsoffensive gegen die Italiener begann, war unser Regiment eines der ersten, welches die italienische Stellung im Sturme genommen hatte. Ich war als dienstführender Feldwebel der 4. Kompanie im I. Baon zugeteilt und nahm an der Erstürmung der Turahöhe teil. Ich befehligte damals einen Zug und wurde während der Kampfaktion zweimal verwundet, am Oberschenkel und am Oberarm. Trotz der Verwundung ging ich noch mit meinem Zug vor und eiferte meine Leute zum raschen Vorstürmen und tapferen Aushalten an.

Einen Schwerverwundeten, der knapp neben mir, von einem Schrapnell verletzt wurde, verband ich zwanzig Schritte vor den Feind und rettete ihm so das Leben. Sechs bis acht Stunden hielten wir obwohl verwundet, vor dem nahen Feinde aus und nahmen während dieser Zeit von den Toten und Schwerverletzten die Munition, die wir bis auf die letzte Patrone verschossen und gingen erst beim Einbruch der Dunkelheit, besser gesagt wir krochen auf allen Vieren, da wir der Verwundung wegen nicht mehr gehen konnten, zurück. Nachdem ich mich in Sicherheit gebracht hatte, wurde ich von der Sanität zurückgetragen und nach kurzer Zeit in das Spital abgeschoben. Hierfür erhielt ich die Große Silberne.

Kaum ein Jahr später konnte der wieder genesene Feldwebel Pögl, diesmal als Dienstführender der 11. Feldkompanie im III.Baon, die Goldene Tapferkeitsmedaille erwerben:

Am Fronleichnamstag, den 6. Juni 1917 um 5 Uhr nachmittags, wurde das III.Baon des IR 59, welches sich auf Etablierung befand, alarmiert um gegen Porta-Lepozze vorzurücken. Der Weg wurde in einer Höhe von 2000 Metern in Gewaltmärschen zurückgelegt. Das Baon erreichte die Brigadebaracken bei heftigem Sturm und Gewitterregen ganz durchnässt und erschöpft. Ein Tag und eine Nacht wurde zur Ergänzung der Munition und zum Ausruhen der Mannschaft benötigt.

Am 10. Juni setzte zeitlich in der Früh das italienische Trommelfeuer in heftigster Weise ein, das 10-12 Stunden andauerte. Im Laufe des Vormittages bekamen wir schon zwei Volltreffer schwerster Kaliber in unsere Baracke, durch die wir einen Verlust von 14 Toten und 19 Schwerverletzten zu beklagen hatten, wobei ich leicht verletzt wurde und mit einer Trommelfellsprengung davonkam. Die Schwerverletzten wurden von mir und einigen Kameraden in Sicherheit gebracht, während die Kompanie den Befehl erhielt im heftigsten feindlichen Trommelfeuer vorzurücken. Sprungweise und mit ganz zerschossenen Beständen, die gänzlich in Unordnung gebracht waren, erreichten wir die Baonsbaracken. Dort angekommen wurde die Kompanie frisch eingeteilt, welche nur mehr eine Plänkleranzahl von 12 bis 20 Mann und 22 Mann in den Zügen erreichen konnte, wobei ein Zug gänzlich fehlte. Damals war ich der 11.Kompanie als dienstführender Feldwebel zugeteilt.

Ganz erschöpft und in fürchterlichem Gemütszustande legten wir die letzte Etappe im starken Artillerie- und Minenwerferfeuer zurück. Bevor wir noch die Gräben erreichen konnten, kam, in ganz atemlosen Zustande, eine Ordonnanz gelaufen, die meldete, dass die Italiener beim Regiment Nr. 37 durchgebrochen waren. Jetzt galt es ‚Sein oder Nichtsein’; todesverachtend ging das Baon im mörderischen Feuer vor, das heißt die noch vom III. Baon vorhandenen Kämpfer griffen den Feind mit ungeheurer Wucht an und brachten ihm schwere Verluste bei, jedoch gelang es ihnen nicht den Feind aus dem Graben zu werfen, da der Italiener in dreifacher Übermacht kämpfte, noch dazu die Elite (Alpini-Truppen) verwendete.

Der Feind hatte außerdem noch den Vorteil, dass sich unsere Gräben in seinem Besitz befand, wir dagegen mit halben Beständen todmüde und abgehetzt ihn angehen mussten. Um die von uns früher innegehabten Gräben tobte ein heißer Kampf, den schließlich und endlich die Italiener durch ihre Übermacht für sich entscheiden konnten, wobei viele von unseren braven Rainern ums Leben kamen und auch teilweise in Gefangenschaft gerieten. Nun glaubte der Italiener der Weg nach rückwärts zur Brigade sei frei. Jetzt lag es an mir, das in mich gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen, in der Erfüllung der an mich gestellten Aufgabe.

In Ermangelung aller Offiziere musste ich das Kommando vom 1. Zug übernehmen und später auch teilweise (zeitweise) das Kompanie-Kommando, da Hauptmann Vlcek gefallen war und infolge dessen mein Kompanie-Kommandant Oberleutnant Stuböck das Baons-Kommando übernehmen musste, ein aufrechter und schneidiger Offizier.

Ich befand mich mit meinem Zuge, der nur noch 12 Mann stark war, in einer Riegelstellung, welche die der italienischen um 3-4 Meter überragte, das uns später zum Vorteil gereichte. Ich bekam von meinem Kompanie-Kommandanten gleich beim Erreichen der feindlichen Gräben den Befehl, diese Stellung bis auf den letzten Mann zu verteidigen und sie ja nicht durch unvorsichtiges Hantieren, sei es mit was immer, zu verraten. Infolge dessen konnten wir in das sich vor unseren Augen abwickelnde Gefecht, das mit Erbitterung auf beiden Seiten geführt wurde, nicht tatkräftig eingreifen, aber trotzdem die sich zu weit vorwagenden Italiener einzeln abschießen. Aber auch das einzelne Herausschießen der Feinde war mit ungeheurer Schwierigkeit verbunden, da der Kampf größtenteils im Handgemenge geführt wurde und wir unsere Stellung in Bezugnahme auf etwaige spätere Angriffe nicht verraten durften.

Nach diesem ungleichen und sehr heftig geführten Kampfe trat eine kleine Pause ein, welche die Italiener zum Sammeln ihrer Streitkräfte benützten. Ein Nebel, welcher gerade um diese Zeit das ganze Angriffsgelände vorübergehend bedeckte, war für uns von größter Wichtigkeit. In Unkenntnis der Sachlage und durch den Nebel für die Italiener ungünstig geschaffene Situation, verloren sie teilweise die Orientierung, was uns zugute kam. Als sich der Nebel schon einigermaßen verzogen hatte, konnten wir beobachten, dass sich der Feind auf ca. 150-200 Schritt an uns herangearbeitet hatte. Jetzt war der Moment des Eingreifens für uns gegeben, jetzt gab es kein Zaudern und keine Minute mehr zu verlieren. Die Situation für uns war günstig, denn wir konnten die Italiener in der Flanke angreifen, was wir sofort ausnützten.

Der Nebel war noch kaum verschwunden, als wir ein kräftiges Hurra riefen, um den Feind zu täuschen, und schwere Salven in die uns zugewendete Flanke der Italiener schossen und sie dadurch zum Rückzug zwangen. Nachdem die Italiener ihren Sammelpunkt fluchtartig verlassen hatten, verfolgten wir sie mit Einzelschnellfeuer und setzten ihnen dabei ein Maschinengewehr außer Gefecht und schlugen sie bis in ihre Ausgangsstellung zurück. Unsere Kampfmannschaft wurde noch von einem Maschinengewehr, das in höchster Not in den Kampf eingriff, tatkräftigst unterstützt.

Den Italienern war der plötzliche Feuerüberfall derart in die Knochen gefahren, dass sie sich längere Zeit nicht angreifen trauten. Wir benutzen die Atempause zur Ergänzung der Munition, Leuchtmittel und Handgranaten, um für den bevorstehenden Kampf neuerdings gerüstet zu sein. Ebenso gelang es uns ein bis zwei Züge von der Brigade vorzubringen, um eine Strecke in einer Ausdehnung von 500-600 Schritte auf der linken Seite, welche gänzlich von Kämpfern entblößt war, zu verteilen. Die Riegelstellung wurde während dieser Kampfpause fieberhaft ausgebaut.

Alle diese Vorsichtsmaßnahmen waren notwendig, da der Italiener kurze Zeit nach Einbruch der Dunkelheit neuerdings zum Angriff vorging, aber zu seinem Bedauern eine ganz andere Situation vorfand. Die Stimmung der Rainer war wieder eine gute Kampfstimmung und man konnte von ihnen die zuversichtlichsten Worte hören wie zum Beispiel ‚Komm nur Itak, wenn Du Dir einen blutigen Kopf holen willst’ u.s.w. Der wiederholte Angriff der Italiener wurde abgeschlagen und so oft er es versuchte wurde er blutig zurückgewiesen, da unsere Stellung von Tag zu Tag besser ausgebaut wurde.

Am 4. Kampftag bekam ich von meinem Baons-Kommandanten Oberleutnant Stuböck den Befehl, auf den Brennpunkt der feindlichen Kampfstelle vorzustoßen. Der Befehl lautete: ‚Feldwebel Pögl, nehmen Sie Ihre Leute und gehen Sie zu jener Stelle vor, wo der Kampf am ersten Gefechtstag am stärksten getobt hat und trachten Sie den Gegner aus dem Graben zu vertreiben, ich gebe Sie zur Goldenen ein.’ Ich nahm mir also meine wackeren Kämpfer, die mir schon am ersten Tage tapfer zur Seite gestanden waren und rüstete sie mit genügend Granaten und Munition aus, um durchgreifenden Widerstand leisten zu können.

Wir arbeiteten uns auf 10 Schritte an die italienische Stellung heran, die wir am Bauche kriechend und ohne einen Laut von uns zu geben um 3 Uhr früh erreichten, wo wir uns günstig verteilten und den Feind überraschend angriffen und ihn durch sicher gezielte Granatwürfe aus dem Graben vertrieben. In dem Moment als wir den Graben besetzen wollten, kam der Befehl, dass wir sofort zurückzugehen hätten, da der Italiener den linken Flügel eingedrückt hatte und uns daher in der Flanke bedrohe. Durch diese plötzlich geänderte Lage, war ich gezwungen meine Leute zurückzunehmen, um sie nicht der gänzlichen Vernichtung des italienischen Feuers preiszugeben und konnte daher unsere vorher so günstige Position nicht mehr ausnützen, da wir durch den Rückzugsbefehl unseren bereits gesäuberten Graben nicht mehr besetzen konnten, obwohl uns die Angriffe auf diesen Graben Tote und Verwundete gekostet hatten.

Ich deckte noch mit einigen Handgranaten, die ich nach allen Richtungen warf, den Rückzug der Meinen und kam als Letzter in die Ausgangsstellung zurück. Die Italiener unternahmen in der Zeit vom 10. bis zum 15. Juni sieben Angriffe, welche alle für sie verlustreich zurückgewiesen wurden. Am sechsten Kampftag wurden wir vom Regiment 14 (Linzer) abgelöst. Meine Leute wurden durchgehend mit der Großen Silbernen ausgezeichnet, während Korporal Wagner, einer der Mutigsten, die Goldene erhielt und zum Zugsführer befördert wurde. Ich musste mit Rücksicht auf meine Verletzung in das Spital und konnte nicht dabei sein, wie Kaiser Karl jedem selbst die Auszeichnung an die Brust heftete und ihnen zum Danke für die hervorragende Tapferkeit die Hand reichte!

Um die Kämpfe um Porta-Lepozze noch anschaulicher zum Ausdrucke zu bringen, möchte ich noch die Schwierigkeiten, die wir bei der Verpflegung hatten, einschließen. Die Menage war in den ersten Tagen kaum zur Kämpferschar vorzubringen, weshalb alle diese härten Kämpfe mit hungrigen Magen durchgeführt werden mussten, außerdem spielte noch die Kälte in den Nächten eine Rolle, sodass wir genötigt waren ohne Deckung und Unterkünfte bei sehr viel Schnee im Freien zu kampieren. Die Nächte waren so kalt, dass wir kaum die Finger beim Schießen krümmen konnten und trotzdem konnte die ungeheure Leistung vollbracht werden.

Wichtig erscheint mir noch anzuführen, dass ich die Verwundung schon am ersten Tage, bevor wir noch zum Angriff vorgingen, von einer in unsere Baracke einschlagenden Granate erhalten habe und trotzdem die weiteren Kampftage in dieser Verfassung durchhielt. Die Goldene war der Lohn des sechstägigen ununterbrochenen Kampfes!

Aufgrund seiner Verwundungen und dem Erlass Träger der Goldenen Tapferkeitsmedaille aus dem unmittelbaren Frontbereich zu entfernen, wurde Georg Pögl im Herbst 1917 entlassen und wieder bei der Wiener Polizei verwendet. Mit seiner Frau und den beiden Söhnen lebte er hier im 4ten Wiener Gemeindebezirk. Beim Einmarsch der deutschen Truppen im März 1938 war Georg Pögl Polizei-Rayons-Inspektor bei der Sicherheitswache in Wien. Er wurde im Gegensatz zu vielen anderen Besitzern der Goldenen Tapferkeitsmedaille nicht ehrenhalber zum Offizier in der Deutschen Wehrmacht befördert, aber wahrscheinlich weiterhin im Polizeidienst verwendet. Über seinen weiteren Lebensweg konnte leider nichts in Erfahrung gebracht werden. Georg Pögl verstarb am 30. August 1972 und liegt am Wiener Zentralfriedhof begraben.

© Jörg C. Steiner, Wien

 

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