Johann Seidlböck

1885-1968

 

Johann Seidlböck wurde am 22. Februar 1885 (getauft am 8. März) in Guntramsdorf bei Wien als Sohn des Ehepaars Johann und Leopoldine (geb. Lahner) geboren. Sein Vater was Schmiedgeselle, er erlehrte das Handwerk eines Spenglers. Nach Ableistung des Grundwehrdienstes entschloss er sich die Karriere eines Berufsunteroffiziers einzuschlagen und fand Verwendung als Zugskommandant im k.k. Landewehr-Infanterie-Regiment „Wien“ Nr. 1, welches später im Weltkrieg in Schützen-Regiment Nr. 1 umbenannt worden ist. Mit diesem Regiment ging er unmittelbar nach Kriegsausbruch an die Russlandfront ab wo er in rascher Folge, bereits in den ersten Gefechten, die Goldene (publiziert 7.1.1915) und die Silberne Tapferkeitsmedaille 1. Klasse (publiziert 20.11.1914) erwarb. In der Publikation des Kriegspressequartiers liest sich das so:

Seidlböck Johann, Stabsfeldwebel des k.k. Landwehrinfanterieregiments Nr.1 geboren 1885 in Guntramsdorf bei Wien. Im Gefechte am 26. August 1914 bei Zamość in Russisch-Polen verstand er es, als Zugskommandant im heftigsten feindlichen Flankenfeuer seine Mannschaft durch zwei Stunden zum Ausharren am gefährdeten Flügel zu bewegen. In der folgenden Nacht sammelte er trotz großer Erschöpfung Versprengte und formierte sie in geordnete Verbände. Als er am 31. August 1914 seinen Zug mit großer Todesverachtung zum Angriff auf Dub vorführte, wurde er schwer verwundet.

Nach Genesung zum zweitenmal ins Feld abgegangen, geriet er bei einem Sturm durch sein ungestümes Vorwärtsdrängen mit 5 Infanteristen in Gefangenschaft. In einem günstigen Augenblick entwaffnete er die in seiner Nähe befindlichen 20 Russen und nahm sie gefangen. Er wurde zweimal ausgezeichnet und nun schmücken die große silberne und die goldene Tapferkeitsmedaille seine Heldenbrust.“

In der Ausgabe vom Dienstag den 13. Juli 1915 berichtete die Illustrierte Kronen-Zeitung über "Offiziers-Stellvertreter Hans Seidelböck vom Landwehr-Infanterie-Regiment Wien Nr.1" (Name konsequent falsch geschrieben!) inklusive einer, für diese Zeitung typischen Portrait-Zeichnung, wie folgt:

"Wir zeigen heute das Bild eines hochverdienten Unteroffiziers des Wiener Landwehrregiments Nr. 1, des Offiziers-Stellvertreters Herrn Hans Seidelböck, dessen Name unseren Lesern aus mehreren hübsch gezeichneten Feldpostkarten, die in der 'Kronen-Zeitung' veröffentlicht wurden, in bester Erinnerung ist. Offiziersstellvertreter Seidelböck und Rechnungsunteroffizier Josef Jarausch haben uns wiederholt aus dem Felde flotte Zeichnungen gesandt, die von dem ausgezeichneten Geiste, der bei unseren Wiener Landwehrregimentern herrscht, Zeugnis ablegt.

Nun ist Offiziersstellvertreter Seidelböck als Verwundeter in Wien in Spitalspflege. Es wird unsere Leser sicherlich interessieren, einiges aus den Erlebnissen des wackeren Offiziersstellvertreter zu erfahren, der als längerdienender Unteroffizier alle Kämpfe des Landwehr-Inf.-Rg. Wien 1 mitmachte und im Sturmjahre des Weltkrieges mehrfach befördert und ausgezeichnet wurde. Herr Seidelböck wurde zuerst vom Feldwebel zum Stabsfeldwebel und jetzt vom Stabsfeldwebel zum Offiziersstellvertreter ernannt und für seine heldenmütigen Leistungen mit der silbernen Tapferkeitsmedaille erster Klasse und dann mit der goldenen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet. Er schildert eine Erlebnisse, als er zum drittenmal im Feld war, in folgender anschaulicher Weise:

Am 15. Juni wurde ich zum viertenmal verwundet und kam ins Reservespital 3 in Budapest, wo wir am 29. Juni durch den Besuch der Erzherzogin Augusta ausgezeichnet wurden. Die Verwundeten wurden mit Bäckereien, Rauchrequisiten, Karten und mit verschiedenen anderen Sachen beteilt; auch ich wurde bedacht und angesprochen. 'Wie sprechen Sie?' fragte mich die Erzherzogin. 'Kaiserliche Hoheit, ich bin ein Wiener.' Auch wurde ich von einem Offizier vorgestellt, daß ich Besitzer 'der Goldenen' bin, worauf mir ihre kaiserl. Hoheit sagte 'Sehr brav und tapfer!' Ich antwortete: 'Wie immer, die Wiener lassen sich nicht zurückstellen.' Sie fragte weiter ob ich verwundet sei? Ich sagte, Ja, zum viertenmal.

Auch als ich zum drittenmal im Felde war, zeigte ich, daß ich der Alte geblieben bin. Vom 9. auf den 10. Juni hatte ich neuerdings einen hitzigen Tag. Wir lagen in einem Graben, der noch zum Teil von den Russen besetzt war. Die Russen setzen alles daran, den Graben uns wieder zu entreißen und griffen meinen Zug  mit 3 Maschinengewehren an, ebenso wurden von ihnen Minenwerfer und Handgranaten verwendet, auch griff Infanterie an. Distanz war 100 Meter und immer näher kamen sie. Wir empfingen sie mit Handgranaten, das Gefecht hatte seinen Höhepunkt erreicht und die Russen schrien: 'fäerli, fäerli' (Sturmgeheul der Russen), aber sie wagten sich nicht ganz vor. Da ich am Beobachtungsposten stand und von dort aus Handgranaten schleuderte, rief ich kräftige Heilrufe und Hoch Österreich zurück. In nächster Nähe stand Herr Fähnrich R., der alles mit ansah und mir befahl, mich zu schonen und zu decken. Ich ging aber nicht zurück, da ich die Russen nicht aus den Augen lassen wollte, faßte auch den festen Entschluß, den Schützengraben nicht lebend zu übergeben und rief meiner Mannschaft zu: 'Zeigt, daß ihr Wiener seid!'

Es brach der Tag an und die Russen mußten abziehen. Ich machte dann noch weitere Angriffe mit und wurde am 15. Juni durch einen Brustschuß verwundet, wobei ich innere Verletzungen davontrug, auch steckt das Geschoß noch in mir. Befinde mich jetzt in Wien im k.u.k. Reservespital Nr. 16.

Ich muß hier noch folgende Tatsache erwähnen: Vor meinem Abgang hatte ich mich auch beim Herrn Regimentsarzt Dr. Foramitti empfohlen, der mir zu weiterem Erfolge gratulierte, worauf ich sagte: 'Diesmal, Herr Regimentsarzt, komme ich mit einer Kugel im Leib zurück, um vom Herrn Regimentsarzt operiert zu werden.' Und es kam auch so, die Kugel steckt in der Brust und wird in zirka fünf Wochen durch Herrn Regimentsarzt Foramitti operativ entfernt werden."

Nach einer weiteren Verwundung heiratete Johann Seidlböck, mittlerweile zum Offiziersstellvertreter befördert, am 23. April 1916 in der Wiener Pfarre Baumgarten Frau Maria Eisler. Dem kaiserlichen Erlass folgend, nachdem Träger der Goldenen Tapferkeitsmedaille von der vordersten Front abgezogen werden sollten um ihre wertvolle Erfahrung in der Ausbildung weitergeben zu können, wurde Offiziersstellvertreter Seidlböck in weiterer Folge beim ErsatzBaon seines Stammtruppenkörpers in Wien verwendet. Später erhielt er selbstverständlich noch die neu gestifteten Auszeichnung und zwar das Karl-Truppen-Kreuz und die Verwundetenmedaille mit vier Bandstreifen.

Nach dem Krieg stellte er sich sofort der Volkswehr zur Verfügung, wo er auch am 31. Jänner 1919 zum Volkswehrleutnant im VolkswehrBaon Wien XIV gewählt wurde. Am 31. Jänner 1921 wurde Leutnant Seidlböck jedoch gemäß dem Militärabbaugesetz ausgeschieden und nicht ins Österreichische Bundesheer übernommen. In weiterer Folge arbeitete er als Monteur bei der Badner Bahn und erhielt später auch eine Stelle als Angestellter. Über seinen weiteren Lebensweg, vor allem auch über eine evtl. Verwendung während des 2. Weltkrieges ist leider nichts bekannt. Johann Seidlböck verstarb am 7. März 1968 in Wien XVIII. Das Grab, in dem auch seine Frau Maria ruhte, auf dem Baumgartner Friedhof wurde 2017 aufgelassen.

© Jörg C. Steiner, Wien

Zusätzliche Bilder

   
Illustrierte Kronen-Zeitung 13.7.1915    

 

Back to Home   Kontakt