Georg (Jurko) Slobodzian

1878-1953

 

Jurko Slobodzian wird am 24. Februar 1878 in Chadoróv Bezirk Brzezany in Galizien, heute Wieszbica in Polen, geboren. Er diente von 1899 bis 1912 als Berufssoldat beim k.u.k. Ulanen Regiment Nr. 7 in Stockerau, wo er zuletzt den Dienstgrad eines Wachtmeisters bekleidete. Seit Beginn seiner Militärzeit verwendet er seinen Vornamen ausschließlich in der deutschen Version, nämlich als Georg. Im Jahre 1912 wechselt er in den zivilen Staatsdienst und wird Amtsdiener in der k.k. Finanzdirektion Korneuburg, wo er sich auch in der Hofaustraße niederlässt und endlich seine Frau Helene (12.12.1890 – 22.4.1977) heiratet.

Zu Kriegsbeginn 1914 erfährt er von der Aufstellung des „Streifkorps Vivenot“ und meldet sich, obwohl mit 36 eigentlich nur noch landsturmpflichtig, sofort zu dieser irregulären Einheit. Es scheint unmöglich weiter über das Schicksal dieses außergewöhnlichen Mannes zu berichten, ohne die kurze aber höchst interessante Geschichte des „Streifkorps Vivenot“ wenigstens überblicksmäßig zu schildern:

Im August 1914 wendet sich der pensionierte Rittmeister Ernst Freiherr von Vivenot, ein reicher Kärntner Großgrundbesitzer wohnhaft auf Schloss Stadlhof bei St. Veit an der Glan, mit einer besonderen Bitte an den Kriegsminister. Er hätte von 1893 bis 1910 aktiv in den Dragoner Regimentern Nr. 8 und dann Nr. 13 gedient, wäre dabei sogar mit dem Militärverdienstkreuz und der Bronzenen Militär-Verdienstmedaille ausgezeichnet worden, und anlässlich der Mobilisierung aus dem Ruhestand „nur“ als Ordonnanzoffizier zum General Auffenberg eingeteilt worden. Er hätte aber eine Idee wie er mit einer kleinen, selbständigen Kavallerie-Abteilung zwischen und hinter den feindlichen (genauer gesagt: russischen) Linien erfolgreich operieren könnte.

Nachdem er auch noch anbot, sich die Leute selber zusammen zu suchen und auf eigene Kosten auszurüsten, ließ man ihn, mit der Einschränkung keine dienstpflichtigen, sondern nur landsturmpflichtige Personen, also solche, die ihre Dienstpflicht schon erfüllt hatten bzw. nichtgediente Zivilisten, zu verwenden, gewähren.

Rittmeister Vivenots Idee war nicht schlecht, vielleicht zu modern für 1914, aber er suchte sich Personen zusammen, die möglichst in Galizien geboren waren und Polnisch wie Russisch im örtlichen Idiom fließend sprachen. Darüber hinaus sollten sie noch militärische oder sonst brauchbare Fertigkeiten beherrschen und natürlich eine gehörige Portion Mut mitbringen.

Leider ist über Größe, Einsätze und Angehörige des Streifkorps Vivenot noch weniger bekannt, als über die Existenz dieser Privat-Armee im Allgemeinen. Den spärlichen, aber doch vorhandenen Akten ist zu entnehmen, dass Rittmeister Vivenot nicht nur eine zu moderne Idee geboren hatte, sondern auch das Talent besaß sich von Beginn an zwischen alle Stühle zu setzen. Man sagt zwar „Viel Feind viel Ehr’“, aber leider ist auch das Sprichwort „Viele Hunde sind des Hasen Tod“ wahr.

Zuerst schäumte General Auffenberg vor Wut, wie jemand eine Ordonannzstelle bei ihm ablehnen konnte und noch dazu über seinen Kopf hinweg mit vorgesetzten Stellen in Kontakt treten konnte. General Pflanzer-Baltin, dessen Kavalleriekorps das „Streifkorps Vivenot“ zugeteilt wurde, war schon voreingenommen aufgrund der Person Vivenots. Für ihn, der aus einer Berufsoffiziersfamilie stammte, war Vivenot einer jener reichen, adeligen Schnösel, die ihre Jugendzeit beim Militär, bevorzugt bei der schicken und teuren Kavallerie verbrachten, um spätestens als Rittmeister zu quittieren und die Ländereien der Familie zu übernehmen. Ausgerechnet so ein „Freizeitoffizier“ machte sich jetzt aufgrund seines Geldes und seiner Beziehungen in seinem Korps wichtig!

Das übrige Offizierskorps war geteilter Meinung. Die einen, eher älteren und ranghöheren Offiziere, waren der Meinung, dass das Operieren hinter den feindlichen Linien, vielleicht sogar ohne Uniform und in Verkleidung, ganz und gar unsportlich, unnötig und überhaupt einem österreich-ungarischen Offizier unwürdig sei. Ja, sogar so einen Vorschlag zu machen und eine entsprechende Truppe aufzustellen wäre ehrenrührig und könne nur den Verlust der Offizierscharge nach sich ziehen.

Den anderen, eher jüngeren Offiziere, war klar, dass die Zeiten von 1859 und 1866 lange vorbei waren und die Aufgabe der Kavallerie nicht mehr darin bestehen konnte mit bunten Uniformen, klingendem Spiel und blankem Säbel Attacken zu reiten. Deren Gegnerschaft erwarb sich Vivenot aus dem Wunsch, selber dieses Kommando zu übernehmen und so eine tolle Sache nicht einem alten Pensionisten zu überlassen. Namentlich findet man in den Akten, dass ein Rittmeister Geza Freiherr von Török vom Husaren Regiment Nr. 5, ein Rittmeister von Beniczky vom Husaren Regiment Nr. 1 und ein Rittmeister Kodrebski vom Kommando der 8. Kavallerie Truppen Division, je nach Möglichkeiten, ihre Verbindungen spielen ließen um das Kommando über das Streifkorps Vivenot zu bekommen.

Langer Rede, kurzer Sinn – Rittmeister Freiherr von Vivenot konnte nicht gewinnen!

Ende Februar 1915 geriet das Streifkorps bei den Kämpfen nahe Stanislau durch Zufall an größere, reguläre Truppen des Feindes und wurde unter schweren Verlusten geschlagen. Kein Wunder, für einen regulären Kampfeinsatz war das Streifkorps ja auch nicht gedacht. Nach den Unterlagen gingen dabei rund 100 Pferde und drei Maschinengewehre verloren – was durchaus erstaunliche Rückschlüsse auf die Größe dieser irregulären Einheit zulässt. Jedenfalls wurde Rittmeister Vivenot mit schweren Vorwürfen seitens der vorgesetzten Stellen konfrontiert. Der Kampfwert seines Streifkorps wäre schlechter als der eines „normalen Nachrichtendetachements“ und seine fehlende Umsicht wäre an diesen Verlusten schuld.

Anfang März 1915 erhielt Vivenot den Befehl mit seinem Streifkorps, das in Horodenka lagerte, sich entlang der, vom Feind besetzten Straße von Tluste nach Zaleszczyki, durchzukämpfen um die dortige Brücke zu sprengen. Rittmeister Freiherr von Vivenot meldete, dass er aufgrund der vorangegangenen schweren Verluste nicht dazu in der Lage wäre einen solche Distanz gegen reguläre Truppen kämpfend zu überwinden, er mit dem gesamten Streifkorps den Dnejstr übersetzen müsste, aber keine Kähne oder ähnliches vorhanden wäre und ebenfalls – hier folgten technische Details – der vorhandene Sprengstoff nicht ausreichen würde die Eisenbeton-Brücke von Zaleszczyki zu sprengen.

Dass er nicht einmal den Versuch unternommen hatte, offensichtlich wollte er seine Leute nicht sinnlos verheizen, wurde ihm natürlich als schwerer Fehler angekreidet – doch er setzte noch einen drauf! Der Undurchführbarkeit dieses Befehles bewusst, wandte sich Rittmeister Vivenot an das benachbarte Kavalleriekorps – einem kaiserlich deutschen, dem er gar nicht unterstand – erklärte seine Situation und übernahm im Raume nördlich von Czernowitz eine Aufklärungsaufgabe, die er übrigens zur Zufriedenheit löste. Das war schließlich sein Untergang.

Jeder, südlich des Weißwurst-Äquators Geborene, weiß, dass man interne Schwierigkeiten nicht mit dem Verbündeten bespricht und sich keinesfalls auch noch zur Unterstützung anbietet – keinesfalls den Preußen – nie – nimmer – niemals! General Pflanzer-Baltin schäumte, noch am 18. März 1915 schrieb er an das operierende Armee-Oberkommando:

Ich habe die Überzeugung gewonnen, dass Rittm. Vivenot nicht die für den Kommandanten eines Streifkorps erforderlichen Qualitäten besitzt und bitte um Zuweisung eines energischen, tatenlustigen und unabhängigen Mannes in der Rittmeister-Charge, der das Kommando des Streifkorps zu übernehmen hätte.

Gleichzeitig wurde Rittmeister Vivenot per Eildepesche seines Kommandos enthoben. Ihm wurde, wie er selber später schrieb, im Sattel sitzend vom Gefreiten einer Telefonpatrouille, ein kleiner, fettiger, gelber Zettel überreicht, demnach er sofort sein Kommando dem ranghöchsten, untergebenen Offizier zu übergeben habe, er selber sei mit sofortiger Wirkung wieder in den Ruhestand versetzt und habe an seiner Heimatadresse weitere Schreiben des Kriegsministeriums abzuwarten.

Ernst Freiherr von Vivenot protestierte beim Armeekommando umgehend gegen seine Absetzung und auch wie sie vonstatten ging. Er sah sich in seiner „Ehre als Kärntner Großgrundbesitzer und Offizier“ zutiefst gekränkt. Im Exemplar dieser Eingabe von General Pflanzer-Baltin ist diese Formulierung mehrfach rot unterstrichen, offenbar brachte ihn die Reihenfolge richtig in Rage. In seiner Stellungnahme vom 1. September 1915 nimmt er sich kein Blatt vor den Mund:

… Rittmeister Vivenot ist … nicht berechtigt, von seinen Vorgesetzten eine Rechtfertigung bezüglich seiner dienstlichen Verwendung zu verlangen. Ich war mit seiner Dienstleistung nicht zufrieden und habe deshalb seine Enthebung erbeten, welche vom A.O.K. genehmigt wurde. Eine Untersuchung durch Zeugenaussagen seiner Kameraden oder seiner Untergebenen halte ich vom disziplinären Standpunkte für unzulässig. Die Form, in welcher seine Enthebung erfolgte, war die normal feldmäßige und einzig rasch durchführbare, nämlich die Verständigung auf telephonischem Wege. Mit der persönlichen Ehre eines Offiziers steht die dienstliche Verwendung in keinerlei Zusammenhang, da diese ausschließlich nach Zweckmäßigkeitsgründen geregelt werden muss. Die Ansicht des Rittmeisters Vivenot, dass auch seine Ehre als Großgrundbesitzer durch Enthebung vom Kommando des Streifkorps tangiert wurde, beweist entweder das Vorhandensein von ganz unklaren Anschauungen oder von Selbstüberhebung und überreizter Empfindlichkeit. Ich bitte diesem ganz ungehörigen Vorgehen des Rittmeisters Vivenot ein Ende zu breiten.

Diese Streitigkeiten zogen sich noch fast ein Jahr dahin, jedoch ohne Aussicht auf Erfolg seitens des Rittmeisters Vivenot, die pro-domo Bemerkungen und internen Schriftverkehre zeugen von einer unglaublichen Kaltschnäuzigkeit. Egal ob die Vorwürfe gegen Rittmeister Vivenot nun den Tatsachen entsprachen oder nicht, bleibt jedoch der Umstand, dass er, obwohl durch aerarisches Material ergänzt für die Grundausstattung seines Streifkorps bestimmt eine enorme Summe Geldes investiert hatte, die nun defacto enteignet worden war. Dass der „Dank des Vaterlandes“ nur eine Farce ist, ist wohl allgemein bekannt. Daher verwundert es nicht weiter, dass die offiziellen Stellen niemals diesen Umstand angesprochen haben. Es zeigt jedoch von adeliger Größe, dass nach bisheriger Aktenlage Ernst Freiherr von Vivenot auch niemals versucht hat dafür Entschädigung zu bekommen.

In derselben Zeit wo Rittmeister Vivenot um eine Ehrenerklärung oder wenigstens um eine Entschuldigung stritt, die er letztlich niemals bekommen sollte, wurde sein Streifkorps ruiniert. Nachdem man einige Zeit keinen geeigneten Kommandanten finden konnte und das Streifkorps monatelang unbeschäftigt blieb, wurden alle Zivilisten und sonstige „unbrauchbare“ Personen einfach heimgeschickt und die verbliebenen landsturmpflichtigen Männer ihren ursprünglich zuständigen Ersatztruppenkörpern überstellt. Die Kriegsgeschichte war über das Streifkorps Vivenot hinweggegangen.

Doch nun von der „großen“ Geschichte des Korps zurück zur „kleinen“ Geschichte des Georg Slobodzian.

Obwohl auch über das Personal des Streifkorps Vivenot sehr wenig bekannt ist, so kann doch das nähere Umfeld von Wachtmeister Slobozian bestimmt werden: da gibt es einen Ulanen, späteren titular Korporal Nikolaus Petijczin, der ebenfalls im Ulanen Regiment Nr. 7 gedient hatte, also wahrscheinlich von Slobodzian mitgebracht worden ist, einen Pionier-Korporal August Schurany, einen Sanitätsgehilfen und späteren Landsturm Zugsführer Mihály Schmidt vom königlich ungarischen Landsturm Territorial Baon 22/I und einen Rechnungsunteroffizier 1. Klasse Otto Heiss sowie eine namentlich leider nicht genannte Frau als Waffenmeister. Von dieser existiert sogar ein Foto, offenbar war ihr Vater, ein lokaler Büchsenmacher in der allgemeinen Spionage-Hysterie zu Beginn des Krieges von den Russen erhängt worden und sie schloss sich nun den Österreichern an um sich zu rächen.

Dieses Quintett war offensichtlich darauf spezialisiert in verschiedenen Verkleidungen und Zusammensetzungen hintern den russischen Linien zu operieren. Es wurde neben der allgemeinen Aufklärung auch Telegraphenleitungen, Eisenbahnschienen und Brücken gesprengt. Anfang Februar 1915 zum Beispiel schlagen sich Slobodzian, Schurany und Petijczin mehrere Kilometer hinter den russischen Linien zu einer wichtigen Eisenbahnlinie nördlich von Stanislau durch und sprengen diese erfolgreich trotz starker Bewachung durch russische Infanterie.

Ein ähnliches Unternehmen bei Tluste Anfang März geht beinahe schief. Beim Überqueren des Dnjestr fällt Schurany ins Wasser und da es keine Möglichkeit gibt sich zu trocknen holt er sich an beiden Füßen schwere Erfrierungen. Das Unternehmen wird trotzdem erfolgreich ausgeführt und Slobozian und Petijczin schleppen den Kameraden mit letzter Kraft wieder zurück. Gleich nach der geglückten Rückkehr macht Slobodzian kehrt und geht zusammen mit der Waffenmeisterin als Bauernpaar getarnt zurück, um aufzuklären, ob und wie sehr die Sprengung den Gegner verwirrt und behindert hat.

Überhaupt schien die Möglichkeit eine Frau dabei zu haben sehr Erfolg versprechend. Slobodzian erfand eine Möglichkeit, den benötigten Ecrasit-Sprengstoff unauffällig zu transportieren, indem er ihn, nach der in Russland üblichen Art der festen Wicklung, als Baby tarnte. In dieser Verkleidung fühlte sich Slobozian sichtlich wohl und schreckte selbst vor haarsträubenden Aktion nicht zurück.

Als sich die österreichisch-ungarischen Truppen zwischen Nadwózna und Stanislau aufgrund überlegener russischer Kräfte zurückziehen mussten, konnte der Befehl alle Brücken und Verbindungen zu zerstören nicht vollständig ausgeführt werden. Sofort meldete sich Slobodzian freiwillig und ging mit einer „Baby-Bombe“ ausgerüstet alleine in das schon besetzte Stanislau zurück. Einen Betrunkenen vortäuschend gelang er auf die bewachte Brücke, wo er tat als müsste er ein Schuhband binden und sich hinkniete, sein Kleinkind vorsichtig an den Brückenpfeiler lehnte, es jedoch danach scheinbar vergaß um weiter von der Brücke zu torkelte. Ein Soldat der Bewachungsmannschaft rief ihn noch zu stehen zu bleiben, da er dachte er hätte sein Kind vergessen, lief statt den Betrunkenen aufzuhalten auf das Baby-Bündel zu, um es seinem vermeintlichen Rabenvater zu bringen. Als er den Fehler bemerkte ging die Bombe hoch und Slobodzian war im allgemeinen Tumult geflohen.

Als am 10. März 1915 Rittmeister Vivenot den Befehl erhalten hatte mit seinem Streifkorps nach Zaleszczyki durchzubrechen und die dortige Brücke zu sprengen, konnte er zwar mangels Sprengstoff diesen Befehl nicht nachkommen, hatte aber nichts dagegen, dass sich der bewährte Trupp Slobodzian – Schurany – Petijczin mit dem letzten Ecrasit-Sprengstoff auf den Weg macht um es trotzdem zu versuchen. Die Drei übersetzen bereits unter starkem feindlichen Feuer den Dnjestr, sind aber mehrere Tage lang nicht in der Lange bis zur Brücke von Zaleszczyki vorzudringen. Am 17. März 1915 entschließen sie sich mit den mitgeführten Bomben den maximal möglichen Schaden anzurichten und sprengen den Eisenbahn-Durchlass südlich von Tluste und schlagen sich mit wichtigen Aufklärungsberichten wieder zur eigenen Truppe durch.

Diese Tat wird letztlich jene sein, die bei der Verleihung der Goldenen Tapferkeitsmedaille an Georg Slobodzian, der mittlerweile zum Offiziersstellvertreter befördert worden ist, im Mai 1916 als die Ausschlaggebende genannt wird. Für die Sprengung der Brücke bei Stanislau im Februar 1915 erhielt er die Silberne Tapferkeitsmedaille 1. Klasse und für eine Aufklärungspatrouille im April 1915 die Silberne Tapferkeitsmedaille 2. Klasse.

Am 15. Mai 1915 gelingt es ihm zusammen mit dem Rechnungsunteroffizier 1. Klasse Otto Heiss einem rastenden Trupp russischer Kavallerie die 14 Pferde zu entwenden, wofür beide mit der Bronzenen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet werden.

Wenig später wird Georg Slobodzian bei einer Aufklärungsmission enttarnt und durch einen Bajonettstich schwer verletzt, die Kameraden können ihn gerade noch zu den eigenen Truppen zurückbringen. Nach der Genesung, das Streifkorps wurde inzwischen aufgelöst, rückt Offiziersstellvertreter Slobodzian also zum Ersatztruppenkörper seines alten Regimentes ein, der sich zu diesem Zeitpunkt in Katharinendorf in der Bukowiner befindet. Dort überreicht ihm auch der Bataillons-Kommandant Major Eduard Koller die wohlverdiente Goldene Tapferkeitsmedaille im August 1916.

Slobodzian hat nun den höchsten Unteroffiziersdienstgrad erreicht, alle möglichen Tapferkeitsmedaillen zieren seine Brust und er wird bis auf weiteres in der Ausbildung junger Ulanen verwendet. Es scheint ihm also eine gute Idee wieder in den aktiven Militärdienst zurückzukehren. Anfang 1918 wird ihm noch das Silberne Verdienstkreuz mit der Krone am Band für Kriegsverdienste verliehen, doch das verhängnisvolle Schicksal nimmt seinen Lauf.

Nach dem Zusammenbruch war, wohl altersbedingt, kein Platz mehr für Offiziersstellvertreter Georg Slobodzian in der Volkswehr des neuen, kleinen Österreich. So probierte er also 1919 wieder in seinem alten Posten als Amtsdiener bei der Finanzdirektion in Korneuburg aufgenommen zu werden, doch auch dort lehnte man ab, er wäre für eine Neuanstellung im öffentlichen Dienst entschieden zu alt. Slobodzian saß buchstäblich zwischen allen Stühlen, Jahre der bittersten Not warteten auf seine achtköpfige Familie. In höchster Not musste er seine Tapferkeitsmedaillen zum Materialwert verkaufen. Er nahm jede Arbeit an, nach Jahren der Arbeitslosigkeit war die Auszahlung der Tapferkeitsmedaillen-Zulage wenigstens eine kleine Anerkennung, wenn auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Nach der Besetzung Österreichs wurden, zur Erinnerung an den 25sten Jahrestag der Schlacht von Tannenberg zahlreiche Träger höchster Tapferkeitsauszeichnungen des Mannschaftsstandes mit dem Rang vom 27. August 1939 ehrenhalber zum Leutnant in der Deutschen Wehrmacht befördert. Dies geschah in mehreren Erlässen, die, die österreichischen Wehrkreise betreffenden, datierten meist zwischen Oktober 1939 und Juli 1940. Jene, die den neuen Machthabern rassisch oder politisch unzuverlässig erschienen, waren davon natürlich ausgenommen. In diesem Zusammenhang ist es vielleicht interessant, dass Georg Slobodzian erst mit dem wirklich aller letzten Nachzügler-Erlass vom 8. September 1941 bedacht worden ist. Aufgrund seines Alters kam eine Dienstverwendung selbstverständlich nicht mehr in Frage, jedoch sein Sohn Hans Georg fiel 1942 im Osten. Am 6. März 1953 verstarb Georg „Jurko“ Slobodzian in Korneuburg, wo er auch im Familiengrab auf dem Ortsfriedhof begraben liegt.

© Jörg C. Steiner, Wien

 

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