Otto Vesely

1886-1942

 

Otto Vesely wurde am 7. November 1886 in Asch (Böhmen) als Spross einer protestantischen Familie, die schon bald nach Graz übersiedelte, geboren. Am 6. Juli 1904 legte er, nach erfolgreich abgeschlossener Oberrealschule, ebendort seine Reifeprüfung ab und studierte in Folge bis 1909 an der Technischen Hochschule in Graz. Nach dem Studium absolvierte Ingenieur Otto Vesely sein Einjährig-Freiwilligen-Jahr beim Feldhaubitz-Regiment Nr. 3 in Marburg. Im November 1910 trat er eine Stelle im Bauamt der Tiroler Statthalterei in Innsbruck an.

Gleich zu Kriegsbeginn eingezogen, machte er mit seinem Regiment den Russlandfeldzug mit, wo er sich bereits in den ersten Kriegstagen und dann besonders in den Kapartenkämpfen auszeichnete. Am 26. August 1914 auf der Mogilahöhe im Raume von Lemberg, das steiermärkische Infanterie Regiment Nr. 47 stand in schwerem Einsatz gegen einen weit überlegenen russischen Gegner, drohte nach dreistündigem, verzweifeltem Kampf eingekesselt und total vernichtet zu werden. In dieser gefährlichen Situation erhielt die 4. Batterie des Feldhaubitz-Regiments Nr. 3 den Befehl, den Rückzug der Infanterie zu decken. Nun versuchten die angreifenden Russen natürlich diese einzelne Batterie, die sich in einer Igelstellung befand, um jeden Preis auszuschalten, um die totale Abschnürung des Infanterie Regiments vervollständigen zu können.

Wiederholt schoben sich dichte feindliche Schützenlinien heran, doch ebenso oft schlugen die Kartäsch-Schrapnells dieselben nieder, bis schließlich die russische Linie auseinanderbrach. 4 Offiziere, 37 Kanoniere und 36 Pferde hatte die Batterie, in der Fähnrich der Reserve Vesely verbissen und todesmutig gekämpft hatte an diesem Tag verloren, doch konnte durch diesen Einsatz der Besatzung des k.u.k. Infanterie Regiments Nr. 47 und die Leben hunderter Steirer gerettet werden. Im Folgenden die Schilderung dieses Tages durch Ing. Otto Vesely, wie sie auch im „Ehrenbuch unserer Artillerie“ unter dem Titel „Eine Heldenbatterie“ Aufnahme gefunden hat:

Die 28. Infanterie-Truppen-Division des III.Korps ging in den Morgenstunden des 26. August 1914 aus dem Raume Glimianz-Fizlejowka (Galizien) in drei Kolonnen zum Angriff gegen die Russen vor. Bei der nördlichen Kolonne war die Batterie 4 des Feldhaubitz-Regiments Nr. 3 eingeteilt.

Ungefähr 9 Uhr vormittags bezogen die sechs Geschütze nordöstlich von Fizlejowka Feuerstellung. Um 10 Uhr eröffnete die Batterie das Feuer auf die vorgehende russische Infanterie. Aber bald beginnt die russische Artillerie auf unsere Batterie zu feuern. Unsere Geschütze waren noch Haubitzen Muster 1899 also ohne Rohrrücklauf und Schutzschilde. Die Salven der Russen saßen leider vielfach sehr gut. Viele von der Bedienungsmannschaft wurden verwundet und mancher fiel. Auch unser erster Offizier, Leutnant Wallner, wurde sehr bald schwer verwundet und Fähnrich der Reserve Ing. Otto Vesely übernahm das Kommando, Kadett Roman Prischnig war der einzige Zugskommandant.

Die Batterie war schutzlos dem feindlichen Feuer ausgesetzt, denn das Eingraben ohne besonderen Befehl war damals noch nicht üblich. Aus den Kommandos, die vom Batteriekommandanten Hauptmann von Bäumen kamen, konnten wir ersehen, dass die Ziele unserer Batterie häufig wechselten. Dank der Schneid des Munitionskommandanten Kadett Keil und der Tapferkeit des Protzenführers Peter Ladstätter erhielt die Batterie genügend Munition und musste in dem rasenden feindlichen Feuer nicht untätig bleiben.

In der Batterie hatten wir das Gefühl, dass sämtliche russischen Geschütze, welche unserer Division gegenüber in Stellung waren, auf uns feuerten. Später wurde uns erzählt, dass sechs russische Batterien zu je 8 Geschützen, also 48 Geschütze, auf uns Tod und Verderben spieen. Die Verluste in der Batterie waren nun so groß geworden. Dass bei jedem Geschütz nur noch zwei oder drei Leute zur Bedienung vorhanden waren, und selbst hierbei waren noch Leichtverletzte, die die Batterie nicht im Stiche lassen wollten. Von den Protzen, die den Munitionsersatz durchführten, waren einige Sechsspänner durch Volltreffer vernichtet worden.

Am Nachmittag ließ plötzlich der Orkan des Artilleriefeuers nach und es erschien überraschend in der rechten Flanke der Batterie eine starke russische Infanterieabteilung. Die Geschützbedeckung, eine Kompanie des Infanterie Regiments Nr. 47, wirft sich aufopfernd dem Feinde entgegen. Die Batterie führt rasch einen Frontwechsel nach rechts durch. Fähnrich d.Res. Ing. Vesely war nun der einzige Offizier in der Batterie und außerdem waren von den Unteroffizieren nur mehr zwei verblieben.

Rechts vorne waren zwei russische Maschinengewehre in Stellung gegangen und feuerten in die Batterie, aber Gott sei Dank schossen sie zu hoch. Fähnrich Vesely richtete selbst das rechte Flügelgeschütz, ein Zugsführer ein zweites Geschütz und schon die zweiten Schüsse vernichteten diese beiden gefährlichen Maschinengewehre. Die Geschützbedeckung aber wurde fast zur Gänze vom übermächtigen Feind aufgerieben und die Russen stürmten nun mit ‚Urra’ auf die Batterie.

Die Batteriemannschaft, deren Haltung über alles Lob erhaben war, war entschlossen mit ihrem Fähnrich die Geschütze bis zum letzten Atemzuge zu verteidigen. Sie arbeiteten in vollster Ruhe, kein Schuss, nur das ‚Urra’-Geschrei der stürmenden Russen - DA, ein Pfiff vom Fähnrich – pro Geschütz werden in rasendem Tempo zwei vortempierte und dann Kartäsch-Schrapnells abgegeben. Nach zirka sechs Kartäschschüssen wurde ‚Feuer einstellen’ kommandiert; kein Russe war in die Batterie gekommen, die wenigen, die nicht draußen lagen, waren in voller Flucht.

Inzwischen hatte unsere Infanterie auch die Höhen links von uns vor der erdrückenden Übermacht des angreifenden Feindes räumen müssen. Es waren ja nur noch Reste, die zurückgingen. Aber auch die weichende Infanterie konnte die Mannschaft der Batterie Nr. 4 nicht mitreißen. Jedem von diesem Braven war der Schwur, die Geschütze nie zu verlassen, ein heiliges Gebot – zudem hatte die Batterie noch reichlich Munition.

Da kam auch unser Kommandant Hauptmann von Bäumen von seinem Beobachtungsstandpunkt auf der Mogila und übernahm das Kommando über die rechten drei Geschütze, während Fähnrich Vesely die linken Geschütze befehligte. Es war vollkommene Ruhe, die letzten Infanteristen hatten die Batterie passiert und sammelten sich hinter dem Bahndamm, der wenige hundert Meter im Rücken der Batterie war. Wir sahen dann bald rechts, bald links und vor der Batterie starke feindliche Infanterie vorgehen und erkannten, dass die Batterie von drei Seiten gestürmt werden sollte.

Die Geschütze wurden nun rasch so aufgestellt, dass sie ein Segment mit einem Winkel von ca. 150° bestreichen konnten. In rasender Eile wurden pro Geschütz 2 vortempierte und 10 Kartäsch-Schrappnells hergerichtet. In aller Ruhe ließ man die Russen bis auf ca. 150 Meter herankommen; wieder ein Pfiff, und ein kleines Häuflein entschlossener österreichischer Artilleristen vernichtete eine unerhörte feindliche Übermacht.

Wieder war es keinem Russen gelungen in die Batterie einzudringen, die meisten lagen tot oder verwundet draußen, der Rest floh. Der Ansturm der Russen war gebrochen, die 28. Infanterie-Truppen-Division konnte sich in völliger Ruhe sammeln. Als dann die Batterie spät in der Nacht durch den Kadetten Keil fünf Protzen erhielt, konnte der Kommandant Hauptmann von Bäumen mit sechs Geschützen und vier Munitionswagen die Stellung verlassen.

Fähnrich der Reserve Ing. Otto Vesely erhielt für diese Waffentat als einer der Ersten die Goldene Tapferkeitsmedaille und wurde außertourlich zum Leutnant der Reserve befördert. Interessant ist in diesem zeitlichen Zusammenhang auch, dass offenbar die zuständigen Stellen mit der Menge der benötigten Goldenen Tapferkeitsmedaillen überfordert waren. Nachweislich wurden bis ungefähr Ende März 1915 alle Bestände von Goldenen Tapferkeitsmedaillen, die man noch aus früheren Jahren auf Lager hatte, ausgegeben. So erhielt Otto Vesely nach eigenen Angaben ein Stück mit dem früheren Bild des Kaisers (nach links blickend mit wenig Bart) wie es dem Muster, das zum Beispiel im Feldzug 1866 ausgegeben worden ist, entsprach.

In der später publizierten Regimentsgeschichte des IR Nr. 47 mit dem Titel „Das steirische Infanterieregiment Nr. 47 im Weltkriege“ schreibt Obstlt. Ludwig Freiherr von Vogelsang über diese Waffentat:

Als die Heldenbatterie, welche den Ruhm der altbewährten österreichischen Artillerie so hervorragend zu mehren wusste, die Linien des 3. Bataillons passierte, stimmten – wie Hauptmann Mitteregger berichtet – die Siebenundvierziger die Volkshymne an. Wohl jeder der Mogila-Kämpfer wird zeitlebens der Kanoniere der über jedes Lob erhabenen Haubitzbatterie von Bäumen in Dankbarkeit und Bewunderung gedenken.

Hauptmann Felix von Bäumen reichte diese Waffentat nach dem Kriege beim Kapitel des Militär-Maria Theresien-Ordens ein und erhielt dafür 1922 die Goldene Tapferkeitsmedaille für Offiziere zuerkannt. Ing. Otto Vesely verblieb weiterhin bei seiner Einheit und zeichnete sich durch schneidiges Verhalten derart aus, dass er im Oktober 1916, abermals außerhalb der Rangtour, vorzeitig zum Oberleutnant der Reserve befördert wurde. Er wurde zwar niemals verwundet, zog sich aber ein schweres „Herz-Nieren“-Leiden zu, das zur Feststellung einer 70% Kriegsbeschädigung führte.

Nach Tirol zurückgekehrt nahm er seine Tätigkeit bei der Tiroler Landesregierung wieder auf und heiratete im Jahre 1930 Frau Käthe Pfeffer. Obwohl seine Krankheit letztendlich mit einer 45% Invalidität festgesetzt wurde, erholte er sich niemals ganz davon. Oberbaurat Ing. Otto Vesely erlag am 6. Februar 1942 im Zahlstock zu Innsbruck diesem Kriegsleiden.

© Jörg C. Steiner, Wien

 

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